Nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 RL 2013/32/EU ist dem Antragsteller, bevor die Asylbehörde eine Entscheidung trifft, Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung zu seinem Antrag auf internationalen Schutz durch einen nach nationalem Recht für die Durchführung einer solchen Anhörung zuständigen Bediensteten zu geben. Nach Art. 34 Abs. 1 RL 2013/32/EU ist dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, sich zu der Anwendung der Gründe nach Art. 33 RL 2013/32/EU in seinem besonderen Fall zu äußern, bevor die Asylbehörde über die Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz entscheidet. Hierzu führen die Mitgliedstaaten i.R.d. Zulässigkeitsprüfung eine persönliche Anhörung durch. In Umsetzung dieser Regelung sieht § 29 Abs. 2 S. 1 AsylG vor, dass das Bundesamt den Ausländer zu den Gründen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b bis Nr. 4 AsylG persönlich anhört, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet.

In dem Urt. v. 30.3.2021 (1 C 41.20, BVerwGE 172, 125 ff.) beschäftigt sich das BVerwG im Anschluss an sein vom EuGH durch das Urt. v. 16.7.2020 (C-517/17, NVwZ 2020, 1817) beantwortetes Vorabentscheidungsersuchen (1 C 26.16, Beschl. v. 27.6.2017, 17.4.2019 und 24.10.2019) mit den Rechtsfolgen einer vom Bundesamt im behördlichen Verfahren nicht durchgeführten persönlichen Anhörung. Es macht zunächst deutlich, dass ein solcher Verfahrensfehler zwar nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 VwVfG im asylgerichtlichen Verfahren bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz geheilt werden könne. Allerdings könne eine solche Heilung – auch während des gerichtlichen Verfahrens – nur durch die Behörde selbst erfolgen; diese müsse die Anhörung nachträglich durchführen und ihre getroffene Entscheidung im Lichte des Ergebnisses der Anhörung kritisch überdenken. Allein die Gelegenheit zum schriftlichen Vortrag der Schutzgründe im asylgerichtlichen Verfahren oder die Pflicht der Asylbehörde und des Gerichts, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, vermögen die Verletzung der Pflicht zur persönlichen Anhörung nicht zu heilen.

Sodann widmet sich das BVerwG der Frage, unter welchen Voraussetzungen das Unterbleiben der persönlichen Anhörung nach § 46 VwVfG als unbeachtlich angesehen werden kann. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dem BVerwG zufolge sei die Anwendung des § 46 VwVfG nur dann mit Art. 14 und Art. 34 RL 2013/32/EU vereinbar, wenn dem Ausländer im asylgerichtlichen Verfahren in einer die grundlegenden Bedingungen und Garantien i.S.d. Art. 15 RL 2013/32/EU wahrenden persönlichen Anhörung Gelegenheit gegeben wird, sämtliche gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung sprechenden Umstände vorzubringen, und auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens in der Sache keine andere Entscheidung ergehen könne. Dabei stellt es das BVerwG in das weite, nur eingeschränkt nachprüfbare Verfahrensermessen des Tatsachengerichts, ob es entweder dem Bundesamt innerhalb des asylgerichtlichen Verfahrens aufgibt, den Asylantragseller persönlich anzuhören, eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung der angegriffenen Entscheidung zu treffen und diese in das Verfahren einzuführen, oder die persönliche Anhörung selbst nachholt oder den angegriffenen Bescheid des Bundesamts aufhebt und dem Bundesamt dadurch Gelegenheit gibt, nach Durchführung einer persönlichen Anhörung im Verwaltungsverfahren eine neuerliche Entscheidung über den Asylantrag zu treffen.

Sofern das Gericht sein Ermessen dahingehend ausübt, die persönliche Anhörung des Asylantragstellers selbst vorzunehmen, so hat es diese Anhörung insb. gem. Art. 15 Abs. 2 RL 2013/32/EU unter Bedingungen durchzuführen, die eine angemessene Vertraulichkeit nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich gewährleisten. Diese angemessene Vertraulichkeit ist nach den Vorgaben des BVerwG nur gewährleistet, wenn die persönliche Anhörung im Rahmen eines der mündlichen Verhandlung vorausgehenden Erörterungstermins i.S.d. § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO oder einer vor der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweiserhebung durch Vernehmung des beteiligten Asylantragstellers durch den beauftragten Richter nach § 96 Abs. 2 VwGO vorgenommen wird. Diese Termine sind nicht öffentlich, da der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens (§ 55 VwGO i.V.m. § 169 Abs. 1 S. 1 GVG) nur für die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Gericht gilt. Die angemessene Vertraulichkeit ist aber auch dann gewahrt, wenn das Gericht die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung ausschließt. § 55 VwGO i.V.m. § 171b Abs. 1 S. 1 GVG stellt diesen Ausschluss in das Ermessen des Gerichts, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten konkret absehbar zur Sprache kommen, deren...

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