1. Einigungsgebühr neben einer Gebühr für Beratung

Nach Vorbem. 1 VV RVG in der derzeitigen Fassung entstehen die Gebühren des Teils 1 VV RVG neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren. Nach dem KostRÄG 2021 wird diese Regelung auch auf eine Gebühr für die Beratung nach § 34 RVG erstreckt. Mit der Ergänzung der Vorbem. 1 VV RVG wird klargestellt, dass die Gebühren des Teils 1 VV RVG grds. auch weiterhin neben einer Gebühr für die Beratung entstehen können. Dies hat zur Folge, dass dem beratenden Rechtsanwalt, der i.R.d. Beratungsmandats für den Mandanten auch einen Einigungsvertrag abschließt, neben der Gebühr für die Beratung eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG anfällt.

Die Änderung der Vorbem. 1 VV RVG führt allerdings nicht dazu, dass dem Anwalt, der mehrere Mandanten berät, der sog. Mehrvertretungszuschlag nach Nr. 1008 VV RVG zusteht. Die Regelung in Nr. 1008 VV RVG bestimmt lediglich die Erhöhung allein einer Verfahrens- oder Geschäftsgebühr, nicht hingegen einer Beratungsgebühr nach § 34 RVG.

2. Anrechnung der Verfahrensgebühr nach einem Urkunden-, Scheck- oder Wechselprozess

Die derzeitige gesetzliche Regelung zur Anrechnung der Verfahrensgebühr nach einem Urkunden-, Scheck- oder Wechselprozess ist unvollständig. Nimmt der Kläger vom Urkundenprozess Abstand, so geht der Rechtsstreit in das ordentliche Verfahren über. Das nachfolgende ordentliche Verfahren ist gem. § 17 Nr. 5 RVG gebührenrechtlich eine neue Angelegenheit. Abs. 2 der Anm. zu Nr. 3100 VV RVG ordnet jedoch die Anrechnung der Verfahrensgebühr des erstinstanzlichen Urkundenverfahrens auf die nachfolgende Gebühr des ordentlichen Verfahrens an. Die Abstandnahme vom Urkundenprozess gem. § 596 ZPO ist jedoch auch in der Berufungsinstanz möglich. Dies hat zur Folge, dass das Verfahren in zweiter Instanz anhängig bleibt, allerdings jetzt im ordentlichen Verfahren. Für diese Fallkonstellation ist nach geltender Gesetzeslage keine Anrechnung der Verfahrensgebühr vorgesehen.

Das KostRÄG 2021 behebt diesen Fehler in der Weise, als die bisher für den ersten Rechtszug in Abs. 2 der Anm. zu Nr. 3100 VV RVG geregelte Anrechnung gestrichen wird. Dafür wird in Vorbem. 3 VV RVG ein neuer Abs. 7 eingefügt, der die Anrechnung für einen Urkunden- oder Wechselprozess auf die Verfahrensgebühr für das ordentliche Verfahren ohne Beschränkung auf eine bestimmte Instanz anordnet.

3. Erweiterung des Anwendungsbereichs der Differenzverfahrensgebühr

Soweit Verhandlungen vor Gericht zur Einigung der Parteien über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt werden, erhält der Rechtsanwalt nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG eine 0,8 Verfahrensgebühr (sog. Differenzverfahrensgebühr). In Halbsatz 2 dieser Vorschrift sind weitere Sachverhalte aufgeführt, die der Verhandlung über solche Ansprüche gleichstehen.

Nach dem KostRÄG 2021 wird dieser Katalog dahin ergänzt, dass einer Verhandlung über in diesen Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche ferner gleichsteht, wenn ein gerichtlicher Vergleich dadurch geschlossen wird, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen (§ 101 Abs. 1 S. 1 SGG; § 106 S. 2 VwGO). Diese Regelungen aus dem SGG und der VwGO entsprechen verfahrensrechtlich den Fallgestaltungen des § 278 Abs. 6 ZPO und sollen deshalb gebührenrechtlich auch gleich behandelt werden.

4. Terminsgebühr auch bei privatschriftlichem Einigungsvertrag

Nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG und nach Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV RVG entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Ein Teil der Rechtsprechung schließt die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf privatschriftliche Vergleiche aus (LSG NRW NZS 2015, 560; LSG Niedersachsen-Bremen RVGreport 2015, 461 [Hansens] = AGS 2016, 69 mit Anm. Hinne und N. Schneider; a.A. LSG Berlin-Brandenburg RVGreport 2018, 455 [Ders.]). Der BGH hat demgegenüber die Auffassung vertreten, auch der Abschluss eines privatschriftlichen Vergleichs genüge für den Anfall der Terminsgebühr (BGH RVGreport 2020, 343 [Hansens]).

Der Wortlaut der beiden Vorschriften wird im Sinne dieser Entscheidung des BGH in zweifacher Hinsicht geändert. Der Abschluss eines Vergleichsvertrags, der gegenseitiges Nachgeben voraussetzt, ist nicht mehr erforderlich. Es genügt vielmehr ein Einigungsvertrag i.S.d. Nr. 1000 VV RVG. Dieser kann nach der vorgesehenen Neuregelung mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts geschlossen werden. Schließlich werden die beiden Vorschriften noch dahin ergänzt, dass die Terminsgebühr auch anfällt, wenn eine Erledigung der Rechtssache i.S.d. Nr. 1002 VV RVG eingetreten ist.

5. Vergütung in Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 1065 ZPO

In Vorbem. 3.2.2 Nr. 1 VV RVG ist angeordnet, dass in Verfahren über dort aufgeführte Rechtsbeschwerden dieselben Gebühren wie im Revisionsverfahren anfallen. Die Aufzählung der Rechtsbeschwerden wird in dem Gesetzesentwurf um die Rechtsbeschwerde nach § 1065 ZPO (betreffend Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen) erweitert.

6. Längenzuschläge

Nimmt der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt an einem Hauptverhandlungstag mehr als fünf bzw. mehr als acht Stunden an der Hauptverh...

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