I. Gesetzesvorhaben

Aus dem in meinen Augen schier unerschöpflichen Reservoir an Gesetzesvorhaben, die das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) noch vor Ende der Legislaturperiode umsetzen will, ist aus dem strafrechtlichen Bereich auf drei für die Praxis wichtige Vorhaben hinzuweisen.

1. Fahrverbot (§ 44 StGB)

Derzeitig ist die Verhängung eines Fahrverbots als Nebenstrafe gem. § 44 StGB auf Straftaten beschränkt, die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurden (vgl. dazu Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 44 Rn 6 ff. m.w.N.). Dazu hat das BMJV im Juni einen Referentenentwurf vorgelegt (abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Aenderung_StGB.pdf?__blob=publicationFile&v=2 ), der vorsieht, diese Beschränkung aufzuheben. Ein Fahrverbot soll danach generell als Nebenstrafe verhängt werden können. Außerdem soll die Höchstdauer des Fahrverbots von drei auf sechs Monate verlängert werden. Das soll allerdings nur für das Erwachsenenrecht gelten, im Bereich des Jugendstrafrechts soll es bei der derzeitigen Höchstdauer von drei Monaten bleiben.

Mit diesem Fahrverbot für alle Straftaten soll auch außerhalb der Verkehrsdelikte eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen werden, "zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken", und es soll "zugleich der Vermeidung von Verhängung und Vollstreckung insbesondere kurzer Freiheitsstrafen dienen" (RefE, S. 8). Der Referentenentwurf geht davon aus, dass das Fahrverbot als Ergänzung zu den übrigen Sanktionen zum einen in Fällen zur Anwendung kommt, in denen eine Geldstrafe allein bei dem Verurteilten womöglich keinen hinreichenden Eindruck hinterlässt, das Verhängen einer Freiheitsstrafe aber eine zu einschneidende Sanktion wäre. Zum anderen soll das Fahrverbot durch die Kombination mit der Geldstrafe das Verhängen einer an sich angezeigten Freiheitsstrafe ersetzen und zusammen mit einer Freiheitsstrafe die Möglichkeit eröffnen, deren Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen.

Mir erscheint Sinn und Zweck dieser Regelung fraglich: Warum hat der Gesetzgeber gerade die Tätigkeit des Autofahrens herausgegriffen, die verboten werden soll? Bei dem Fahrverbot "für alle" erscheint es angesichts der verschiedenen Lebensumstände und Vorlieben der von einem solchen Fahrverbot Betroffenen auch kaum, zumindest aber nur schwer möglich für eine annähernde Wirkungsgleichheit dieser Strafe bei den betroffenen Verurteilten zu sorgen. Das gilt vor allem dann, wenn diese beruflich auf die Möglichkeit des Fahrens angewiesen sind.

2. "Unfallgaffer" (§ 115 StGB-E)

Im Gesetzgebungsverfahren ein Stück weiter als das "Fahrverbot für alle" ist ein Gesetzesvorhaben des Bundesrats. Dieser hat bereits den Gesetzesentwurf zu einem neuen § 115 StGB-E auf den Weg gebracht und dem Bundestag zugeleitet (vgl. BT-Drucks. 18/9327). Danach soll gegen Schaulustige, die nach einem (Verkehrs-)Unfall Fotos machen und filmen statt zu helfen, vorgegangen werden können. Bisher macht sich nur strafbar, wer mit Gewalt oder durch Androhen von Gewalt Rettungsarbeiten nach einem Unfall behindert. Dies soll "im Interesse des Opferschutzes" geändert werden. Dem Entwurf zufolge soll "mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes behindert". Damit würde auch "bloßes Sitzen- und Stehenbleiben" von der Neuregelung umfasst.

3. Autorennen (§ 315d StGB-E)

Bislang werden illegale Autorennen im öffentlichen Straßenverkehr nur von § 29 StVO erfasst. Es droht eine Geldbuße und ein Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG. Das ist angesichts einiger spektakulärer, illegaler Rennen, die in der letzten Zeit zu schweren Folgen geführt haben, nach Auffassung des Bundeslandes NRW nicht (mehr) ausreichend. NRW hat daher einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht, der künftig mit einem neuen Straftatbestand in § 315d StGB-E illegale Kraftfahrzeugrennen nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeiten verfolgen, sondern unter Strafe stellen will. Der Bundesrat hat am 23.9.2016 den Entwurf auf den Weg gebracht (vgl. BR-Drucks. 362/16 B): Wer ein Rennen veranstaltet oder daran teilnimmt, dem drohen danach bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. Außerdem soll dann i.d.R. die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist verhängt werden (§ 69 Abs. 2 Nr. 1a StGB). Dazu wird das illegale Rennen zum Katalog der Regelbeispiele in § 69 Abs. 2 StGB hinzugefügt werden. Werden bei einem solchen Rennen Leib und Leben eines Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, soll nach dem Entwurf durch die Einführung eines konkreten Gefährdungsdelikts eine erhöhte Strafandrohung (Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren) gelten. § 315d Abs. 3 StGB-E regelt (angelehnt an § 315c Abs. 3 Nr. 1 StGB) eine Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination mit einem abgesenkten Strafrahmen, wenn die Tat (lediglich) fahrlässig verursacht wird. Für schwerste Fälle, in denen die Tat zum Tod...

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