Die falsche Einschätzung einer Verkehrssituation ist für sich allein keine Ausfallerscheinung, die als Indiz für eine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit genügen würde. Darauf hat noch einmal das OLG Naumburg (Beschl. v. 24.8.2015 – 2 Rv 104/15, VA 2015, 190 = StRR 2015, 434 = VRR 11/2015, 11) hingewiesen. Für die Beurteilung der relativen Fahrunsicherheit eines Kfz-Führers i.S.d. § 316 StGB sind vielmehr die (subjektiven) Umstände in der Person des Kfz-Führers und/oder die (objektiven) Umstände seiner Fahrweise maßgeblich (BGH VRS 33, 119; s.a. Ludovisy/Eggert/Burhoff/Burhoff, a.a.O., § 4 Rn 146 ff.). Nicht jeder kleinste Fahrfehler rechtfertigt die Annahme einer Fahrunsicherheit (s. wegen Nachw. Burhoff, a.a.O.). Entscheidend ist eine Gesamtwürdigung des einzelnen oder auch wiederholten Verhaltens des Kfz-Führers (BGH NJW 1969, 1579; BayObLG NJW 1973, 566; OLG Köln DAR 1973, 21; OLG Koblenz VRS 43, 181).

 

Hinweis:

Das OLG Naumburg (a.a.O.) hat im Übrigen auch noch darauf hingewiesen, dass die Annahme des AG im angefochtenen Urteil, mehrfache Fehlversuche bei der Durchführung einer Atemalkoholprobe sprächen für eine alkoholbedingte Beeinträchtigung, nicht zutreffend ist.

Reicht die Blutalkoholkonzentration (BAK) mit 0,6 ‰ noch nicht nahe an den Grenzwert zur absoluten Fahruntüchtigkeit heran, sind unter Berücksichtigung der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Fahrtüchtigkeit hinsichtlich der konkreten Fahruntüchtigkeit bei einer Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt umfassende tatsächliche Feststellungen zu treffen. Diese ständige Rechtsprechung der OLG bekräftigt noch einmal der Beschluss des OLG Oldenburg vom 7.4.2016 (1 Ss 53/16, VA 2016, 120). Bei der Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) wegen Vorliegens sog. relativer Fahruntüchtigkeit gilt die Faustregel, dass die Feststellungen zu den erforderlichen Ausfallerscheinungen umso konkreter und diese umso gewichtiger sein müssen, je geringer die BAK ist. Entscheidend ist der jeweilige Beschuldigte. In dem vom OLG entschiedenen Fall hatte das AG Ausfallerscheinungen damit begründet, dass der Angeklagte über eine nicht geringe Wegstrecke selbst innerorts mit einer deutlich überhöhten Geschwindigkeit gefahren war und unter Umfahren einer Verkehrsinsel zu einem grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Überholmanöver angesetzt hatte. Das hat dem OLG (a.a.O.) nicht gereicht. Denn das AG hatte auch mehrere Voreintragungen im Fahreignungsregister (FAER) wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit festgestellt. Deshalb hätten sich – so das OLG (a.a.O.) – Erörterungen dazu aufgedrängt, ob der Angeklagte nicht generell zum Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit neige und ob allein das riskante und zu schnelle Fahren ausreichend sein könne, um alkoholbedingte Ausfallerscheinungen anzunehmen.

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