1. Mehrbedarfe: Kosten des Umgangsrechts – Keine allgemeine übergesetzliche Bagatellregelung

Zu den Kosten des Umgangsrechts hat das BSG nunmehr (BSG, Urt. v. 4.6.2014 – B 14 AS 30/13 R) eine Entscheidung des LSG NRW (Urt. v. 21.3.2013 – L 7 AS 1911/12; Pattar/Sartorius ZAP F. 18, S. 1334) bestätigt, nach der eine umgangsberechtigte Person jedenfalls dann nicht auf billigere öffentliche Verkehrsmittel verwiesen werden kann, wenn deren Inanspruchnahme die Umgangszeit erheblich beeinträchtigen würde. Es hat es abgelehnt, die Fahrtkosten (wie in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b Alg II-V) nur nach der einfachen Entfernung zwischen den Wohnorten des Umgangsberechtigten und des Kindes zu bestimmen. Zudem ist es darin der Annahme entgegengetreten, es bestehe eine allgemeine Bagatellregelung, so dass ein Mehrbedarf erst ab einer Belastung von mindestens 10 % des Regelbedarfs anzuerkennen sei.

2. Bedarfe für Unterkunft und Heizung

Eine Reihe von Entscheidungen betrifft die Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

a) Leibrentenzahlungen keine Kosten der Unterkunft

So sind Leibrentenzahlungen, die als oder anstelle eines Kaufpreises zu zahlen sind, nicht als Unterkunftsbedarf anzusehen (BSG, Urt. v. 4.6.2014 – B 14 AS 42/13 R). Nur dann, wenn sie unabhängig vom Kaufpreis zu leisten sind, können sie berücksichtigt werden (Rn. 18).

b) Keine Begrenzung der Kosten der Unterkunft nach nicht erforderlichem Umzug und vorübergehendem Wegfall der Hilfebedürftigkeit

Nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II werden nach einem nicht erforderlichen Umzug Bedarfe für Unterkunft und Heizung selbst dann nur in der bisher anerkannten Höhe erbracht, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft immer noch angemessen sind. Nach der Entscheidung vom 9.4.2014 (B 14 AS 23/13 R, s. hierzu Berlit jurisPR-SozR 24/2014 Anm. 1) gilt diese Sperre jedoch dann nicht mehr, wenn die Hilfebedürftigkeit nach dem nicht erforderlichen Umzug für mindestens einen Monat entfallen ist. Diese Entscheidung steht in einer Reihe mit Entscheidungen zur Umwandlung von Einkommen in Vermögen: Auch hier gilt ein Antrag, der nach einer mindestens einmonatigen Unterbrechung der Hilfebedürftigkeit gestellt wird, als neuer Erstantrag, so dass die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Reste des Einkommens als Vermögen anzurechnen sind (BSG, Urt. 30.9.2008 – B 4 AS 29/07 R; BSG, Urt. v. 10.9.2013 – B 4 AS 89/12 R).

c) Anforderungen an die Bestimmung der Angemessenheit durch Satzung bzw. Verordnung

Nach §§ 22a22c SGB II können die Länder seit 1.4.2011 die Kreise und kreisfreien Städte ermächtigen oder verpflichten, durch Satzung die Angemessenheit von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu bestimmen; für die Stadtstaaten gelten Sonderregelungen. Hiervon haben bislang Berlin (§ 8 AG-SGB II [seit 27.7.2011]), Hessen (§ 4a Hessisches OFFENSIV-Gesetz [seit 1.1.2011]), Sachsen (§ 9a SächsAGSGB [seit 1.5.2014]) und Schleswig-Holstein (§ 2a AG-SGB II/BKGG [seit 25.5.2012]) Gebrauch gemacht.

Nachdem das BSG bereits 2013 (BSG, Urt. v. 17.10.2013 – B 14 AS 70/12 R) die Einbeziehung von SGB-XII-Leistungsberechtigten in den Geltungsbereich der Berliner Wohnaufwendungenverordnung (WAV vom 3.4.2012, GVBl. 2012, S. 99) für unwirksam erklärt hatte, erklärte es mit Urteil vom 4.6.2014 (B 14 AS 53/13 R) nun die gesamte WAV für unwirksam. Die WAV folgte einem Bruttowarmmietenkonzept, legte also Angemessenheitsgrenzen für die Miete inklusive aller Nebenkosten fest. Zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze legte die WAV für die Heizkosten Werte des Heizspiegels zugrunde. Das BSG hält zwar einen Bruttowarmmietansatz grundsätzlich für möglich. Bei der Normsetzung sei jedoch gerade hinsichtlich der Heizkosten die soziale Wirklichkeit auf dem Wohnungsmarkt nicht hinreichend ermittelt worden. Für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze durch untergesetzliche Normgeber sei derselbe strenge Maßstab anzulegen wie für die Ermittlung der Regelbedarfe vom BVerfG vorgegeben. Das BSG stellt bei dieser Gelegenheit klar, dass die früher (z.B. BSG, Urt. v. 12.6.2013 – B 14 AS 60/12 R) herangezogenen Werte des regionalen oder bundesweiten Heizspiegels nicht geeignet seien, die Angemessenheit der Heizungsaufwendungen zu bestimmen (Rn. 36 f.). Es handele sich vielmehr um Grenzwerte, jenseits deren regelmäßig von Unangemessenheit auszugehen sei; das Überschreiten sei nur ein Indiz für die Unangemessenheit, die im Einzelfall zu überprüfen sei. Infolgedessen habe die WAV die Bruttowarmmietpreise rechtswidrig zu hoch festgesetzt. Da nicht erkennbar sei, dass der Normgeber auch nur einen Teil der WAV ohne den Rest erlassen hätte, wies das BSG die Revision gegen die Unwirksamkeitserklärung durch das LSG BE-BB (Urt. v. 4.9.2013 – L 36 AS 1987/13 NK) zurück.

 

Hinweis:

Die Entscheidung hat Auswirkungen auf alle kommunalen Satzungen: Der vom BSG angelegte hohe Maßstab an die Normgeber, die Angemessenheitsgrenze wirklichkeitsgerecht zu ermitteln, dürfte nicht leicht zu erfüllen sein und macht die Satzungen anfällig für Normenkontrollverfahren.

d) Kein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei fehlendem schlüssigem Konzept

Zu berichten ist schließlich der Beschluss vom 5.6.2014 (B 4 AS 349/13 B). Das BSG erhöht darin die Hürden für die Tatsachengerichte, sich auf die Tabellenwerte des WoGG zu stützen. Vielmehr müssen die Tatsachengerichte konkret ermitteln, ob tatsächlich alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind.

3. Leistungen bei Krankheit für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger

Gemäß § 264 Abs. 2 SGB V übernimmt die Krankenkasse die Krankenbehandlung von nicht versicherten Leis...

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