Während der allseits bekannte Warnhinweis "Eltern haften für ihre Kinder" bei vielen Eltern nach wie vor Sorgenfalten hinsichtlich möglicher Aktivitäten ihrer Sprösslinge hervorrufen kann, haben Anwälte dafür zumeist nur ein müdes Lächeln übrig – zumindest solange, wie der Nachwuchs nicht vom heimischen Internetanschluss aus ohne elterliches Wissen unberechtigt Musik- oder Filmdateien kopiert und getauscht haben soll. Denn insoweit hatte der BGH noch 2010 – und dies sehr zur Freude der entsprechenden (anwaltlichen) Massenabmahner – entschieden, dass Privatpersonen selbst bei nachgewiesenem Urlaubsaufenthalt auf Unterlassung haften, wenn ihr nicht ausreichend gesicherter WLAN-Anschluss von unberechtigten Dritten genutzt wird (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330) und damit den Betroffenen im Ergebnis ein Unschuldsnachweis hinsichtlich der angeblichen Rechtsverletzungen praktisch unmöglich gemacht.

Diese missliche (Beweis-)Situation hat der BGH zugunsten der Eltern zwar inzwischen teilweise entschärft, indem er ein Stufenkonzept von Belehrungs- und Überwachungspflichten entwickelt hat:

Danach erfordere die elterliche Aufsichtspflicht gegenüber minderjährigen Familienangehörigen zunächst nur eine Belehrung über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an illegalen Internettauschbörsen nebst entsprechend ausgesprochenem Teilnahmeverbot. Eine elterliche Verpflichtung, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen bzw. den Computer des Kindes zu überprüfen oder gar den Zugang zum Internet (teilweise) zu sperren entstehe erst, wenn den Eltern konkrete Anhaltspunkte für eine Zuwiderhandlung ihres Kindes gegen das Verbot (BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12, NJW 2013, 1441) vorliegen. Nach Ansicht des BGH dürfen Eltern ihren Internetanschluss dagegen volljährigen Familienangehörige stets überlassen, ohne diese (vorab) zu belehren oder überwachen zu müssen (BGH, Urt. v. 8.1.2014 – I ZR 169/12, NJW 2014, 2360). Erst bei konkreten Anhaltspunkten (etwa infolge von Abmahnungen) seien dann auch sie zu den zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen gezwungen.

Wer nun aber geglaubt hatte, durch diese Vorgaben des BGH zu den Haftungsrisiken innerhalb familiärer Beziehungen wären nunmehr die Rechteinhaber hinsichtlich der Geltendmachung von Urheberrechtsverletzungen entmutigt worden und ihr Engagement an gerichtlicher Durchsetzung erlahmt, sah sich getäuscht. Denn von einer nunmehr nahezu vollständigen Haftungsfreistellung zugunsten der Eltern durch den BGH, wie im Internet oftmals kolportiert wird, kann bislang keine Rede sein, bietet doch gerade die vom BGH zugrunde gelegte sog. sekundäre Darlegungslast (BGH, Urt. v. 8.1.2014, a.a.O., Rn. 16, 17) den Rechteinhabern noch genügend Angriffsfläche für eine erfolgreiche Anspruchsdurchsetzung. Danach hat ein Anschlussinhaber nämlich (auch) vorzutragen, ob und wenn ja, welche anderen Personen zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung selbständigen Zugang zum Internetanschluss hatten und mithin als Täter in Betracht kommen könnten – wobei den Anschlussinhaber insoweit Nachforschungspflichten treffen. Kommt der Anschlussinhaber dieser Darlegungslast nicht nach, ist sein Vortrag unbeachtlich und er muss die von dem Rechteinhaber als beweisbelastete Partei vorgetragenen Tatsachen – selbst wenn diese nicht bewiesen sind – i.S.v. § 138 Abs. 3 ZPO gegen sich gelten lassen (vgl. Greger in: Zöllner, ZPO, 30. Aufl. Rn. 8b; vor § 284 Rn. 34 c).

Während im aktuellen Streitfall des BGH der Anschlussinhaber (ein auf Onlinerecherche und Internetpiraterie spezialisierter Polizeibeamter!) seiner Darlegungslast noch dadurch nachgekommen ist, dass er seinen volljährigen Stiefsohn als Täter benannt hatte, wies das LG München noch mit Urt. v. 19.3.2014 (21 S 10395/13, ZUM 2014, 735) die Berufung eines Anschlussinhabers zurück, weil dessen Vortrag, er sei zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht zu Hause gewesen bzw. andere Familienmitglieder (Ehefrau/Kinder) hätten den Anschluss ebenso nutzen können, nicht erheblich sei. Eine Revision ließen die Münchener Richter nicht zu.

Muss also der Anschlussinhaber stets den Täter ausdrücklich benennen, um so seiner Darlegungslast zu genügen? Die aktuelle BGH-Entscheidung äußert sich hierzu nicht!

Und lassen sich dazu entlastende Aussagen der Kinder – wie im Fall des OLG Köln vom 14.3.2014 (6 U 109/13, ZUM-RD 2014, 292 = GRUR-RR 2014, 281) – deshalb als nicht glaubwürdig einstufen, weil gerade aus einer familiären Verbundenheit eine "verfälschende Entlastungstendenz" resultieren könne? Ist dem aber nicht stets so und müssten die Kinder daher nicht auch die Aussage mit der Folge verweigern (dürfen), dass der Anschlussinhaber damit dann selbst aus dem Schneider ist?

Bedauerlicherweise hat auch der Kölner Senat die Revision nicht zugelassen, so dass einstweilen noch der schale Beigeschmack einer Sippenhaft unverändert fortbestehen kann.

Autor: Rechtsanwalt Mark T. Singer, Neuss

ZAP 2/2015, S. 47 – 48

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