a) Alkohol

Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 S. 1 Nr. 2c) FeV durch eine nach den Vorschriften über das Fahreignungsregister verwertbare Tat erfüllt, liegen i.d.R. schon deshalb Tatsachen i.S.d. §§ 2 Abs. 8 StVG, 46 Abs. 3 FeV vor, die Zweifel an der Kraftfahreignung des Betr. begründen. Es ist dann kein Raum mehr für eine Einzelfallbetrachtung (OVG Lüneburg zfs 2019, 419).

b) Cannabis

Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist ungeeignet zum Führen von Kfz, wer bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis den Konsum und das Fahren nicht trennen kann. Das BVerwG hat entschieden, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, i.d.R. nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen darf (Wiedergabe der Pressemitteilung in DAR 2019, 338). Räumt ein Fahrerlaubnisinhaber einen zwei Tage vor einer Polizeikontrolle stattgefundenen Cannabiskonsum ein und weist die bei der Polizeikontrolle entnommene Blutprobe einen THC-Wert von 3,5 ng/ml auf, so deutet dies nach dem Stand der Wissenschaft darauf hin, dass zwischen dem eingeräumten Konsumakt und der Blutentnahme ein weiterer Konsumakt stattgefunden haben muss (VGH Kassel zfs 2019, 299; zum Rückschluss aus der Blutprobe auf einen regelmäßigen Konsum VGH München NJW 2019, 2339 Ls.). Wird medizinisches Cannabis nicht entsprechend der ärztlichen Verordnung eingenommen, besteht nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV keine Fahreignung. Im Falle des Beigebrauchs von illegalem Cannabis oder fahreignungsrelevantem Mischkonsum mit Alkohol bei Cannabispatienten ebenfalls keine Fahreignung. Erfolgt die ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis erst nach einem Verstoß gegen das Trennungsgebot in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, hat die Fahrerlaubnisbehörde zu prüfen, ob durch die Verordnung die Fahreignungszweifel ausgeräumt sind (VGH München NJW 2019, 2419 Ls. = zfs 2019, 414).

c) Verfahrensfragen: Gutachtenanordnung

Nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn der Betreffende ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr führt. Die rechtskräftige strafrechtliche Ahndung einer länger zurückliegenden alkoholisierten Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad (BAK: 2,88 ‰) rechtfertigt innerhalb der Tilgungs- und Verwertungsfristen des § 29 StVG die Anordnung von Aufklärungsmaßnahmen (MPU) zur Frage, ob der Betroffene auch künftig fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge unter Alkoholeinfluss führen wird (VG München NZV 2019, 272 [Pießkalla]). Auch eine im Ausland (Polen) begangene Alkoholfahrt und die dort gemessene Atemalkoholkonzentration können die Anordnung einer MPU rechtfertigen (OVG Berlin-Brandenburg zfs 2019, 235). Zur Klärung der Fragestellung, ob regelmäßiger Cannabis-Konsum (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV) vorliegt, ist die Anordnung der Beibringung eines chemisch-toxikologischen Gutachtens unverhältnismäßig, wenn neben einer Blutuntersuchung auch die Untersuchung von Urin gefordert wird. Die Vorgabe einer konkreten Stelle für die Untersuchung ist nur in Fällen zulässig, in denen im Hinblick auf die konkrete Fragestellung (§ 11 Abs. 6 S. 1 FeV) aus zwingenden fachlichen Gründen – etwa in Ansehung einer sehr seltenen Erkrankung – lediglich eine einzige Stelle zur Untersuchung in der Lage ist (OVG Münster NJW 2019, 1393).

Ist die Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens in das Ermessen der Behörde gestellt, muss die Ermessensbetätigung von der Behörde nachvollziehbar begründet werden (VGH München NZV 2019, 430 [Koehl]). Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug einer Fahrerlaubnis wird i.d.R. nur dann in Betracht kommen, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt (hier: verneint bei Erkrankung an Multipler Sklerose, VGH München DAR 2019, 343). Bei fehlenden finanziellen Mitteln des Betroffenen für die Beibringung eines rechtmäßig geforderten Fahreignungsgutachtens besteht weder ein Anspruch auf Übernahme der Begutachtungskosten noch auf deren Vorfinanzierung durch die Fahrerlaubnisbehörde (VGH München NJW 2019, 1394 Ls. = DAR 2019, 345 = zfs 2019, 358 = NZV 2019, 488 [Gail]).

Autor: Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum

ZAP F. 9 R, S. 1117–1130

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