Abfindungsvergleiche sind ein häufiger Haftungsfall, weil sich später herausstellt, dass man auf Ansprüche versehentlich verzichtet hat. Die Anregung dazu kommt von einer (schlauen) Partei bzw. deren Haftpflichtversicherung oder vom Richter (der sich vielleicht nur künftige Arbeit sparen will). Die Versicherung kann dadurch den Fall ein für allemal abschließen und ihre Bilanz bereinigen. Wichtig ist jedes Wort im Vergleichstext. Der Anwalt muss die Partei über die Vor- und Nachteile eines Abfindungsvergleichs ins Bild setzen, sie vorher informieren (BGH NJW 1994, 2085; NJW 2000, 1944). Selbst wenn der Rechtsanwalt der Meinung ist, das von ihm ausgehandelte Ergebnis sei schon das Äußerste, was bei der Gegenseite zu erreichen sei, entbindet ihn das nicht von seiner Aufklärungspflicht (BGH NJW 2002, 292).

a) Abfindung der Klageforderung

Wird der Prozessvergleich mit diesem Inhalt geschlossen, ist er i.d.R. unproblematisch. Denn alle anderen Ansprüche der Parteien bleiben unberührt. Zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen sind nicht erfasst.

b) Abfindung aller wechselseitigen Ansprüche aus dem Sachverhalt, der der Klage zugrunde liegt

Abfindung aller wechselseitigen Ansprüche aus dem Sachverhalt, der der Klage zugrunde liegt, kann etwa vereinbart werden, wenn nach einem Verkehrsunfall auf Schmerzensgeld, Sachschadenersatz, Feststellung des Zukunftsschadens geklagt und dann durch eine einmalige Zahlung der Beklagten abgefunden wird, oft mit dem von der Haftpflichtversicherung vorgeschlagenen Text, "dass alle Ansprüche des Klägers aus dem Unfall vom (...) abgegolten sind, gleichgültig ob bekannt oder unbekannt, voraussehbar oder nicht voraussehbar, jetzige und zukünftige Ansprüche" (vgl. Michel JuS 1986, 41). Auch beim Rentenanspruch des § 843 Abs. 3 BGB sind Kapitalabfindungen häufig; Fehler sind dabei die falsche Einschätzung der künftigen Zinsentwicklung, der künftigen Geldentwertung usw. Mit einem solchen Vergleich übernimmt der geschädigte Kläger das Risiko, dass später ein Dauerschaden eintritt, unvorhersehbare erhebliche neue Schmerzen auftreten, künftig ein Mehrbedarf eintritt. Der Geschädigte kann selten einwenden, er habe mit Spätfolgen nicht gerechnet; denn z.B. bei Knochenverletzungen im Bereich des Handgelenks (BGH VersR 1957, 534), bei Schenkelbruch (BGH VersR 1967, 1062) oder Augenverletzungen ist immer mit Spätfolgen zu rechnen.

Selbst wenn von der Abfindung materielle Zukunftsschäden (z.B. Kosten späterer Operationen) ausgenommen sind, muss insoweit ein Verjährungsverzicht in den Vergleich aufgenommen werden (BGH NJW 2003, 1524); denn beim Feststellungsurteil wäre der Kläger 30 Jahre geschützt, beim Vergleich gilt für den ausgenommenen Teil grundsätzlich die Regelverjährung mit unklarem Beginn (vgl. BGH NJW 2014, 2637).

Bei einem Verkehrsunfall gehen bestimmte Ansprüche des Geschädigten automatisch auf den Sozialversicherungsträger über (§ 116 SGB X), soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen erbracht oder zu erbringen hat. Der gesamte Unfallschaden kann also nicht durch einen Abfindungsvergleich zwischen Schädiger und Geschädigtem ohne Beteiligung des Sozialleistungsträgers endgültig geregelt werden; diese Ansprüche sind vom Vergleich auszuklammern, sonst tauchen schwierige Fragen des Regresses gegen den Anwalt auf (vgl. §§ 407, 412 BGB). Ähnliches gilt in allen anderen Fällen, in denen Ansprüche des Geschädigten übergegangen sind, also nicht mehr zur Disposition des Geschädigten stehen, z.B. § 6 EFZG, § 7 UVG.

c) Abfindung aller wechselseitigen Ansprüche der Parteien

In dieser höchst gefährlichen Form verzichtet z.B. der Kläger, der rückständige Miete einklagt, auch auf Ansprüche wegen Beschädigung der Mietsache, auf Rückzahlung eines Darlehens, der Beklagte auf Kautionsrückzahlung usw. Zwar kann man nur bekannte Ansprüche erlassen (§ 397 BGB); die Anfechtung des Vergleichs wegen Irrtums nach § 119 BGB hat aber wegen der Beweislast selten Erfolgsaussicht (vgl. Palandt/Ellenberger, § 119 BGB Rn 16). Einen solchen Vergleich sollte man nie schließen.

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