Meine Kritik an der Rechtsprechung richtet sich insbesondere dagegen,

  • dass persönliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen (Beherbergungsgast) für die Aufwandsteuer ohne Bedeutung sein sollen und
  • dass "aus Gründen der Praktikabilität" die besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen (Beherbergungsgast) nicht festgestellt werden müsse, da der Konsum typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei.

1. Persönliche Verhältnisse

Nach der Rechtsprechung sollen die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen ohne Bedeutung sein. Entscheidend sei nur der isoliert – also losgelöst von den tatsächlichen persönlichen Verhältnissen – zu betrachtende Vorgang des Konsums (BVerfGE 65, 325, 347; BVerfG, Beschl.15.1.2014 – 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126; v. 17.2.2010 – 1 BvR 2664/09 und 1 BvR 529/09; v. 11.10.2005 – 1 BvR 1232/00 und 2627/00; BVerwG, Urt. v. 17.9.2008 – 9 C 14.07, NVwZ 2009, 532).

Dem ist zu widersprechen: Besteuert werden soll nur ein über die Befriedigung allgemeiner Lebensführung hinausgehender Aufwand. Voraussetzung für die Besteuerung ist eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Das entspricht der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG. Differenziert wird zwischen privater und beruflicher Veranlassung. Die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte ist geboten. Die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen sind demnach nicht belanglos, sondern gerade von entscheidender Bedeutung.

a) Steuerschuldner

Steuerpflichtiger und Steuerschuldner der Bettensteuer ist nicht der Betreiber der Beherbergungseinrichtung, sondern der Übernachtungsgast. Auf seine persönlichen Verhältnisse kommt es entscheidend an. Der Betreiber einer Beherbergungseinrichtung ist nur verpflichtet, die Steuer zu erheben und an den Steuergläubiger (die jeweilige Kommune) abzuführen. Er wird damit nicht zum Steuerschuldner (OVG Münster, Urt. v. 23.10.2013 – 14 A 316/13, DVBl 2014, 249, Rn. 121). Seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist nicht Gegenstand der Besteuerung.

Einige Gerichte sind allerdings der Meinung, die Nähe des Beherbergungsunternehmers zum Steuergegenstand rechtfertige es, ihn zum Steuerschuldner zu bestimmen. Eine Zurechnung sämtlicher Besteuerungsmerkmale in seiner Person sei nicht erforderlich (FG Hamburg, Urt. v. 9.4.2014 – 2 K 169/13, DStRE 2014, 1514, Rn. 66; FG Bremen, Urt. v. 16.4.2014 – 2 K 85/13, DStRE 2014, 1008; VGH Hessen, Beschl. v. 29.1.2015 – 5 C 1162/13.N).

Dem kann nicht gefolgt werden: Steuerschuldner ist nach § 42 S. 1 AO, wer durch Einzelsteuergesetze dazu bestimmt wird. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass eine Aufwandsteuer an die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, § 33 Abs. 1 AO, und dessen Konsum anknüpft, aus dem – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – dessen besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vermutet werden kann. Der Beherbergungsbetreiber erfüllt keines der Merkmale einer Aufwandsteuer. Er ist lediglich derjenige, der die Steuer für Rechnung des Übernachtungsgastes zu entrichten hat, § 43 S. 2 AO. Daneben treffen ihn andere steuerliche Pflichten, § 33 Abs. 1 AO, nicht vermögensrechtlicher Art (z.B. Ermittlungs-, Aufzeichnungs-, Meldepflichten). Der Beherbergungsbetreiber ist insoweit vergleichbar mit dem Entrichtungspflichtigen bei der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 3 EStG), der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 EStG) oder der Versicherungssteuer (§ 7 Abs. 1 und 2 VersStG).

b) Soziale Gesichtspunkte

Die Bettensteuer ist demnach wie etwa die Einkommensteuer eine direkte Steuer. Denn der Gast ist einmal Steuerschuldner und zum anderen mit der Steuer auch wirtschaftlich belastet. Bei direkten Steuern, die an die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen anknüpfen, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte nicht nur zulässig, sondern geboten.

 

Hinweis:

Der zur Zweitwohnungssteuer ergangene Beschluss des BVerfG lässt daran keinen Zweifel (v. 15.1.2014 – BvR 1656/09, Rn. 57, BVerfGE 135, 126; BVerfGE 29, 402, 412; 32, 333, 339; 36, 66, 72; 43, 108, 125). Das Sozialstaatsprinzip verlangt die Rücksichtnahme des Gesetzgebers auf die Belange der wirtschaftlich schwächeren Schichten der Bevölkerung (BVerfGE 13, 331, 346 f.; 43, 108, 119; 61, 319, 343). Das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Sozialstaatsprinzip gebietet die Steuerfreistellung des Existenzminimums (BVerfG, Beschl. v. 13.2.2008 – 2 BvL 1/06, Rn. 104, BVerfGE 120, 125; BVerfGE 82, 60, 85).

Trotzdem wird das Gebot, die persönlichen Verhältnisse und soziale Gesichtspunkte zu beachten, von der Rechtsprechung und der Rechtspraxis weitgehend unterlaufen. Das geschieht auf der Grundlage der verfehlten These, jeder Konsum sei ein Indikator für eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Indem dabei eine isolierte Betrachtung angestellt wird, werden die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen gezielt einer rechtlichen Würdigung entzogen. Gleichzeitig wird damit die Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips verhindert.

Das BVerwG hat die Auffassung vertreten, soziale...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge