Angesichts der Belastung der Gerichte spielen Verfahren auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens eine zunehmende Rolle. Vielfach haben diese Verfahren auch Erfolg. Für den obsiegenden Kläger stellt sich dann die Frage, ob ihm im Falle seines Obsiegens auch die angefallenen Kosten zu erstatten sind. Dies ist in Verfahren auf Entschädigung bei unangemessener Verfahrensdauer in Zivilsachen recht unproblematisch. In arbeitsgerichtlichen Verfahren stellt sich jedoch die Frage, ob dort der Ausschluss der Kostenerstattung gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG gilt.

1. Verfahrensrecht

Für Verfahren wegen einer Entschädigung bei unangemessener Verfahrensdauer, die sich gegen ein Bundesland richten, ist gem. § 201 Abs. 1 S. 1 GVG das OLG zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. In arbeitsrechtlichen Streitigkeiten sind gem. § 9 Abs. 2 ArbGG die Vorschriften des 17. Titels des GVG, also die §§ 198 bis 201 GVG, entsprechend anwendbar. Dies hat zur Folge, dass an die Stelle des OLG das LAG tritt. Somit ist in Verfahren wegen einer Entschädigung infolge unangemessener Verfahrensdauer in der Arbeitsgerichtsbarkeit das LAG als erstinstanzliches Gericht zuständig.

2. Kostenfestsetzung

Für das Kostenfestsetzungsverfahren in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten sind die Vorschriften über die Kostenfestsetzung in den §§ 103 ff. ZPO entsprechend anwendbar. Somit entscheidet über den Kostenfestsetzungsantrag auch in einem Verfahren wegen einer Entschädigung bei unangemessener Verfahrensdauer das Gericht des ersten Rechtszugs. Da das Kostenfestsetzungsverfahren gem. § 21 Nr. 1 RPflG dem Rechtspfleger übertragen ist, ist für die Kostenfestsetzung der Rechtspfleger des LAG, das ja in solchen Verfahren erstinstanzliches Gericht ist, zuständig.

Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren findet nicht gem. § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO die sofortige Beschwerde statt. Diese ist nämlich nur gegen Entscheidungen des Arbeitsgerichts im ersten Rechtszug statthaft (s. BAG RVGreport 2006, 395 [Hansens] = NJW 2006, 2718). Dies hat nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zur Folge, dass gem. § 78 ArbGG i.V.m. § 567 Abs. 1 Hs. 1 ZPO gegen die Entscheidung des Rechtspflegers des LAG im Kostenfestsetzungsverfahren grds. kein Rechtsmittel gegeben ist. Für einen solchen Fall greift die Regelung in § 11 Abs. 2 RPflG ein, so dass gegen dessen Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren die befristete Erinnerung statthaft ist (Arnold/Meyer-Stolte/Hintzen, RPflG, 8. Aufl., § 11 Rn 54; OLG Koblenz zfs 2010, 401 m. Anm. Hansens = AGS 2010, 323 für die Anfechtbarkeit des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Rechtspflegers beim OLG).

3. Kostenerstattung

a) Grundsatz

In Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges in der Arbeitsgerichtsbarkeit besteht gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder eines Beistands (s. hierzu Hansens ZAP 2017, 375 ff.; Ders. RVGreport 2015, 401 ff.; s. auch BAG RVGreport 2015, 426 [Hansens] = AGS 2015, 483 für Ausnahmen).

b) Besonderheiten im Entschädigungsverfahren

Wie vorstehend (s. IV. 1.) erörtert, handelt es sich bei dem Verfahren auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens vor dem LAG um ein Verfahren erster Instanz. Dies spricht dem ersten Anschein nach dafür, dass auch für ein solches Entschädigungsverfahren der in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG geregelte Ausschluss der Kostenerstattung von Parteikosten gilt.

Das LAG Sachsen-Anhalt (vgl. RVGreport 2019, 186 [Hansens]) hat sich jedoch gegen die Anwendung des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ausgesprochen. Nach Auffassung des LAG ist nämlich Sinn und Zweck dieser Vorschrift, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, den Rechtsweg vor dem Gericht erster Instanz ohne das Risiko zu beschreiten, die Kosten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers zu tragen. Auch eigene Anwaltskosten würden dem Arbeitnehmer nicht zwingend anfallen, da in arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren erster Instanz kein Anwaltszwang besteht. Bei Klagen auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens vor dem LAG besteht jedoch gem. § 11 Abs. 4 ArbGG Vertretungszwang.

Nach Auffassung des LAG Sachsen-Anhalt (a.a.O.) sprechen auch sozialpolitische Gründe gegen einen Ausschluss der Kostenerstattung. Bei einem erfolgreichen Verfahren hat nämlich i.d.R. das beklagte Land als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Deshalb sei es – so das LAG – im Regelfall unangemessen, das beklagte Land gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG von der Kostenerstattung zu befreien, obwohl sich die Parteien in einem solchen Verfahren gem. § 11 Abs. 4 ArbGG durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssen.

 

Gebührentipp:

Die Entscheidung des LAG Sachsen-Anhalt ist – soweit ersichtlich – die erste bekannt gewordene Entscheidung eines LAG, die sich zur Anwendbarkeit des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG in Verfahren wegen einer Entschädigung bei unangemessener Verfahrensdauer

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