1. Verfahren

a) Dauer des Sozialgerichtsverfahrens

In einem Sozialgerichtsverfahren geht es häufig um existenzielle Fragen, die möglichst rasch entschieden werden sollten. Dies gilt insbesondere, wenn die Beteiligten über die Gewährung von sozialen Leistungen streiten. In jeder Lage des Verfahrens sollte der Richter prüfen, ob die Möglichkeit besteht, den Prozess zu beschleunigen.

b) Möglichkeiten der Beschleunigung

Verzögerungen sind nicht immer vom Gericht zu verantworten. In mehr als der Hälfte der Prozesse der ersten Instanz holt der Richter ein schriftliches Gutachten ein. Nicht selten erstattet der Sachverständige das Gutachten nicht innerhalb der ihm vom Gericht gesetzten Frist. In diesen Fällen sollten die Beteiligten auf das Gericht einwirken, damit es den Sachverständigen daran erinnert, das Gutachten in der gesetzten Frist vorzulegen.

 

Hinweis:

Im September 2015 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts beschlossen. Zur Verfahrensbeschleunigung soll das Gericht verpflichtet werden, dem Sachverständigen bei der Anordnung der schriftlichen Begutachtung eine Frist zur Übermittlung des Gutachtens zu setzen. Wird diese missachtet, soll gegen ihn ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 5.000 EUR festgesetzt werden.

Die geplante Neuregelung ist problematisch. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind in besonderem Maße auf die Mithilfe qualifizierter Sachverständiger dringend angewiesen. Bei der Festsetzung von Ordnungsgeldern ist zu beachten, dass durch die Höhe der getroffenen Sanktion die Beziehungen zum Gutachter nicht belastet werden. Ganz allgemein ist festzustellen: Die Bereitschaft von Sachverständigen, Gutachten für die Sozialgerichte zu erstellen, darf nicht – etwa durch unsensible Verhängung von "Strafmaßnahmen" – gefährdet werden.

Eine Möglichkeit, das Gerichtsverfahren zügig zu beenden, ist der nach § 101 Abs. 1 S. 1 SGG auch im Sozialgerichtsprozess zulässige Abschluss eines Vergleichs.

 

Hinweis:

Ein Vergleich ist – nur – zulässig, soweit die Beteiligten über den Gegenstand der Klage verfügen können.

Auch der durch Gesetz vom 1.11.1993 eingeführte Gerichtsbescheid nach § 105 SGG ist ein geeignetes Mittel, das Gerichtsverfahren durch Wegfall der mündlichen Verhandlung abzukürzen. Die Vorschrift gilt nur für die erste Instanz. Es verwundert, dass von dieser Möglichkeit in der Praxis eher zurückhaltend Gebrauch gemacht wird.

Voraussetzung für die Anwendung von § 105 SGG ist, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt aufgeklärt ist.

Schließlich ist auf § 106 SGG hinzuweisen. Der Vorsitzende hat dafür zu sorgen, dass der Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen ist. Eine solche Straffung des Verfahrens bewirkt seine Beschleunigung.

2. Besonderheiten

a) Klägerfreundlichkeit

Gelegentlich stößt man auf die Feststellung, das SGG sei "klägerfreundlich". Gemeint ist wohl, das Gericht bevorzuge die Kläger schon deshalb, weil sie des Schutzes eines Gerichts bedürfen, das dem sozialen Gedanken besonders verpflichtet ist. Richtig ist, dass das SGG zahlreiche Vorschriften enthält, die dem Kläger Vergünstigungen verschaffen und in den Stand versetzen, besser seine Rechte wahrzunehmen.

aa) Örtliche Zuständigkeit

Eine dieser Normen ist § 57 Abs. 1 S. 1 SGG, wonach "örtlich zuständig das Sozialgericht ist, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz hat". Zweck der Norm ist, dem Kläger weite Wege zum Gericht zu ersparen. Insbesondere ältere oder/und behinderte Menschen sind auf Vergünstigungen dieser Art angewiesen.

bb) Fristwahrung bei Unzuständigkeit

§ 91 SGG regelt die Fristwahrung bei Unzuständigkeit: Die Frist für die Erhebung der Klage gilt auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde eingegangen ist. Der besondere Schutz für Kläger liegt darin, dass der Gesetzgeber von ihnen nicht verlangt, sich über die Grundfrage der örtlichen Zuständigkeit des anzurufenden Gerichts verbindlich zu informieren. Stattdessen können sie z.B. bei einer inländischen Kommunalbehörde die Klage erheben, die Klageschrift ist dann nach § 91 Abs. 2 SGG "unverzüglich an das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit abzugeben". Der besondere Schutz der Kläger geht hier sehr weit. Dass eine Behörde die dem zuständigen Gericht obliegende Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit an dessen Stelle vornehmen muss, ist mehr als systemfremd. Mit der ihr nach § 91 Abs. 2 SGG auferlegten Zuständigkeitsprüfung ist die unzuständige Behörde möglicherweise überfordert.

cc) Kostenfreies Verfahren

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für den in § 183 SGG benannten Personenkreis kostenfrei. Sinn dieser Vorschrift ist es, ihn aus sozialen Gründen nicht mit Kosten eines Gerichtsverfahrens zu belasten. Normzweck ist auch, dass ein Kläger, der die Hilfe des Gerichts in Anspruch nehmen will, seine Entscheidung treffen kann, ohne ein finanzielles Risiko einzugehen.

b) Objektive Beweislast

Im sozialgerichtlichen Ve...

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