1. Begriff der Insolvenz in § 651k BGB

§ 651k BGB verlangt eine Absicherung des Reisenden für solche Aufwendungen, die ihm infolge der

  • Zahlungsunfähigkeit oder
  • Eröffnung des Insolvenzverfahrens

über das Vermögen des Reiseveranstalters entstehen. Die Formulierung des Gesetzgebers ist unglücklich gewählt, was in der praktischen Anwendung der Vorschrift zu Schwierigkeiten bei der Anspruchsdurchsetzung führen kann. Es fehlt eine ausdrückliche Regelung für den in der Praxis häufigen Fall, dass das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abweist.

Zum besseren Verständnis werden nachfolgend zunächst die Grundstrukturen des Insolvenzrechts sowie der regelmäßige Ablauf des Insolvenzverfahrens dargestellt.

a) Insolvenzgründe nach der Insolvenzordnung

Die Insolvenzordnung sieht in den §§ 1719 InsO drei unterschiedliche Insolvenzgründe vor, die zu der Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen können.

aa) Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO

Der allgemeine Eröffnungsgrund ist gem. § 17 Abs. 1 InsO die Zahlungsunfähigkeit. Diese liegt nach der Legaldefinition in § 17 Abs. 2 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen (Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 4). Zahlungsfähigkeit kann Eröffnungsgrund in einem Verfahren über das Vermögen einer natürlichen Person ebenso sein, wie über das einer juristischen Person. Sie bedeutet immer Geldilliquidität (Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 6) und kann daher auch dann vorliegen, wenn zwar werthaltiges Vermögen (in einer die Verbindlichkeiten übersteigenden Höhe) vorhanden ist, dieses aber nicht (kurzfristig) liquidierbar ist.

 

Hinweis:

Geldliquidität ist nicht mit der (kurzfristigen) Liquidierbarkeit von schuldnerischem Vermögen gleichzusetzen. In Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit zur bloßen Zahlungsstockung ist lediglich zu beachten, ob der Schuldner sich durch Verwertung von verzichtbarem Anlage- oder Umlaufvermögen die notwendige Liquidität verschaffen kann (BGH InVo 1999, 77, 79; MüKo-InsO, § 17 Rn. 21).

Dabei liegt Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich auch dann vor, wenn der Schuldner auch nur einen Teil seiner Verbindlichkeiten nicht auszugleichen in der Lage ist (Ausnahme "ganz geringfügige Liquiditätslücken", vgl. Begründung zu §§ 20, 21 InsO RegE). In der Grundsatzentscheidung vom 24.5.2005 stellte der BGH klar, dass bei einer Liquiditätslücke von mehr als 10 % regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen sei, soweit nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werde und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten sei (BGH ZInsO 2005, 807 ff.). Aber auch eine Liquiditätslücke, die weniger als 10 % der Gesamtverbindlichkeiten ausmacht, führt zur Zahlungsunfähigkeit, wenn der Schuldner sie nicht innerhalb von drei Wochen beseitigen kann (BGH a.a.O.). Dabei kann von einem Zeitraum von drei Wochen nicht ausgegangen werden, wenn bereits jetzt absehbar ist, dass sich die Liquiditätslücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird (BGH a.a.O.).

Der BGH hat mit seiner Entscheidung auch klargestellt, dass eine bloße Zahlungsstockung in Abgrenzung zur bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit lediglich dann angenommen werden kann, wenn die benötigten Mittel innerhalb eines Zeitraums von maximal drei Wochen beschafft werden können (BGH a.a.O.). Gelingt dies nicht, besteht Zahlungsunfähigkeit.

bb) Überschuldung, § 19 InsO

Überschuldung liegt nach der Legaldefinition des § 19 Abs. 2 S. 1 InsO dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Sie ist bei juristischen Personen (neben der Zahlungsunfähigkeit und der drohenden Zahlungsunfähigkeit) weiterer Eröffnungsgrund (§ 19 Abs. 1 InsO). Zur Bestimmung der Überschuldung wird das aktivische Vermögen des Schuldners dem passivischen Vermögen gegenübergestellt (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO). Dabei ist die Prognose für die weitere Fortführung zu berücksichtigen, aber nur dann, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist (§ 19 Abs. 2 S. 2 InsO).

Übersteigen die Verbindlichkeiten die Vermögenswerte, liegt eine rechnerische Überschuldung vor. Insolvenzauslösend ist aber nur die rechtliche Überschuldung. Sie besteht aus der rechnerischen Überschuldung und einer (negativen) Fortbestehensprognose (Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 8). Bei der Bewertung des Aktivvermögens ist zwischen zwei Bewertungsansätzen zu unterscheiden, den Liquidationswerten und den Fortführungswerten. Bei der Wertermittlung zu Fortführungswerten ist Ausgangspunkt der Wertermittlung die Annahme, dass die schuldnerische Unternehmung weiter fortgeführt wird. Werthaltige Faktoren wie der sog. good will, Geschäftsbeziehungen, der Umstand, dass eine organisatorisch und personell bestehende Struktur übertragen wird, finden hier Berücksichtigung. Demgegenüber wird bei den Liquidationswerten der Wert der einzelnen Güter im Fall der Zerschlagung ermittelt. In aller Regel liegen die Liquidationswerte teils erheblich unter den Fortführungswerten. Selbst einzelne Gegenstände d...

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