Zusammenfassung

Der nachfolgende Beitrag informiert über die Neufassung des Nachweisgesetzes (NachwG), die zum 1.8.2022 mit kurzer Vorlaufzeit in Kraft getreten ist und alle Arbeitgeber in Deutschland mit deutlich erweiterten und erstmals bußgeldbewehrten Nachweispflichten konfrontiert. Es werden Praxishinweise und Handlungsempfehlungen gegeben, die in der täglichen HR-Praxis einen rechtssicheren und effizienten Umgang mit dem neuen Gesetz ermöglichen.

I. Das neue NachwG und der europäische Rechtsrahmen

Am 23.6.2022 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (BGBl 2022 I S. 1174 vom 26.7.2022) beschlossen, das in Art. 1 die Änderung des NachwG regelt. Die Neufassung des NachwG tritt zum 1.8.2022 in Kraft. Der Katalog der vom Arbeitgeber nachweispflichtigen Tatbestände wurde deutlich erweitert, was sich spürbar und nachhaltig auf die Personalpraxis auswirken wird. Arbeitgebern werden umfangreiche Informations- und Nachweispflichten aufgegeben, die nunmehr erstmals bußgeldbewehrt sind.

Die Arbeitsbedingungenrichtlinie verfolgt das Ziel, Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbare Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird.

Zur Erreichung dieser Ziele sieht die Richtlinie folgende Maßnahmen vor (vgl. Reufels ArbRB 2022, 237 f.):

  • Erweiterung der bereits in der Nachweisrichtlinie (Richtlinie 91/533/EWG) vorgesehenen Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses (sog. Nachweispflichten);
  • Festlegung von Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen in Bezug auf die Höchstdauer einer Probezeit, Mehrfachbeschäftigung, Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit, Ersuchen um einen Übergang zu einer anderen Arbeitsform sowie Pflichtfortbildungen;
  • sog. horizontale Bestimmungen zur Durchsetzung der vorgenannten Bestimmungen.

Artikel 22 der Richtlinie (a.a.O.) verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis zum 31.7.2022 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die erforderlich sind, um den Vorgaben der Arbeitsbedingungenrichtlinie nachzukommen. Spätestens seit 1.8.2022 sind die in der Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten auf alle Arbeitsverhältnisse anzuwenden.

II. Arbeitsrechtlicher Handlungsbedarf

Standard-Arbeitsvertragsmuster für Neuverträge und bestehende (i.d.R. unzureichende) Altverträge sind mit Blick auf das NachwG einer umfassenden und gründlichen Revision zu unterziehen (vgl. Gaul/Pitzer/Pionteck DB 2022, 1833; Jonas SPA 2022, 105). Der zwingende Handlungsdruck folgt dabei nicht zuletzt aus der Bußgeldandrohung nach § 4 NachwG für einen fehlenden, fehlerhaften und/oder verspäteten Nachweis. Nach dieser Regelung stellt der Verstoß des Arbeitgebers eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld i.H.v. bis zu 2.000 EUR für jeden Einzelfall sanktioniert werden kann (hierzu nachstehend VI.).

Ein Arbeitgeber verstößt gegen das NachwG, wenn er seiner Nachweispflicht entweder

  • überhaupt nicht,
  • nicht richtig,
  • in der falschen Form,
  • unvollständig oder
  • nicht rechtzeitig nachkommt.

III. Bisherige Rechtslage

Bis zur aktuellen gesetzlichen Neuregelung sah das seit 1995 geltende NachwG vor (zur Altfassung und zum Arbeitsvertragsschluss vgl. Boudon ArbRB 2006, 155), dass spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses alle wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festzuhalten und den Arbeitnehmern auszuhändigen waren. In der arbeitsrechtlichen Praxis fristete das NachwG bisher ein Rand- und Schattendasein. Die fehlende Bedeutung gründete u.a. darin, dass die Tatbestände, über die der Arbeitgeber gem. § 2 Abs. 1 NachwG dem Arbeitnehmer einen schriftlichen Nachweis auszuhändigen hatte, stark begrenzt waren und kaum über das hinausgingen, was ohnehin im Rahmen eines den Anforderungen der Praxis und der Rechtsprechung (AGB-Kontrolle) entsprechenden Arbeitsvertrags geregelt wurde. Da die Nachweisverpflichtung gem. § 2 Abs. 4 NachwG i.d.R. somit durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag erfüllt werden konnte, wurden die gesetzlichen Nachweisverpflichtungen häufig im Arbeitsvertrag „miterledigt” (vgl. Brock öAT 2022, 111). Das NachwG a.F. sah keine direkten Sanktionen zulasten des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen die Nachweispflicht vor.

Vielmehr zogen die Arbeitsgerichte aus einer Verletzung der Vorschriften nur beweisrechtliche Konsequenzen nach § 286 ZPO i.R.d. freien Beweiswürdigung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10.5.2007 – 11 Sa 25/07, juris). Im Einzelfall kamen auch Schadensersatzansprüche, gerichtet auf Naturalrestitution, in Betracht (vgl. ErfKo/Preis, 2. Aufl., NachwG, § 2, Rn 38a, 48; Brock öAT 2022, 111, zu einer ggf. zukünftig zu erwartenden Beweislastumkehr vgl. Gaul/Pitzer/Pionteck DB 2022, 1833, 1841).

IV. Änderungen und Neuerungen des NachwG im Überblick

Der persönliche Anwendungsbereich des NachwG wird erweitert. Die bislang geltende Ausnahme für Aushilfen, die für höchstens einen Monat eingestellt werden (§ 1 S. 1 NachwG a.F.), entfällt. Künftig gilt das Gesetz für alle Arbeitnehmer unabhängig von der Dauer ihrer Beschäftigung. Es...

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