Bekanntermaßen sinken nicht nur die Zulassungszahlen bei der Anwaltschaft, sondern auch die Anzahl der Auszubildenden zum/zur Rechtsanwalts- oder Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten ist im Ausbildungsjahr 2018/2019 – also vor "Corona" – wiederum leicht gesunken. Im Anwaltsblatt 7+8/2020 ruft Marion Proft, Geschäftsführerin der Personalberatung und -vermittlung LegalProfession, dazu auf, trotz "Corona" jungen Menschen die Möglichkeit einer Ausbildung bei Rechtsanwälten und Notaren zu eröffnen. Diesem Aufruf kann nur zugestimmt werden. Nach eigener Einschätzung besteht heute bereits ein erheblicher Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften bei Anwälten und Notaren. Dieser Mangel kann auch nicht durch die aktuell angebotenen Fortbildungsangebote für Quer- und Wiedereinsteiger beseitigt werden. Nach eigener Erfahrung dauert der Weg zu einer qualifizierten Fachkraft im Anwalts- und/oder Notarbereich mindestens zwischen acht bis zehn Jahren.

Nach den Ausführungen von Marion Proft wurden im Land Brandenburg bis Juni 2020 nur fünf Ausbildungsverhältnisse registriert. Diese Zahl verdeutlicht, mit wie vielen Fachkräften in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt gerechnet werden kann. Ohne qualifizierte Fachkräfte werden Anwälte und Notare – trotz des Hype um Legal Tech – ihre Arbeit nicht erledigen können. Der persönliche Kontakt (Ansprache, Rat, Auskunft etc.) wird jedenfalls in der mittleren und älteren Generation noch auf längere Zeit erhalten bleiben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass z.B. die Umsetzung des elektronischen Urkundenarchivs, des elektronischen Notaraktenspeichers, zusätzlicher Zeitaufwand zur Umsetzung der Geldwäschegesetz-Meldepflichtverordnung-Immobilien etc. ohne gut ausgebildete (qualifizierte) Fachkräfte möglich sein wird; die Anforderungen an die Mitarbeiter werden nach meiner Einschätzung in Zukunft mit der Einführung dieser Medien deutlich höher sein als heute.

Wenn andere Arbeitgeber wegen "Corona" derzeit keine Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, bietet es sich gerade für Anwälte und Notare jetzt an, Schulabgängern Ausbildungsplätze anzubieten, die sonst z.B. wegen höherer Ausbildungsvergütungen den Weg zu Anwälten und Notaren nicht finden würden. Daniel Terzenbach, Vorstand in der Bundesagentur für Arbeit, weist in der FAZ vom 27.7.2020 zu Recht darauf hin, dass der schon vor "Corona" bestehende Fachkräftemangel nicht aus einer anderen Epoche stammt und man, wenn sich die Lage wieder bessert, deutlich sehen wird, wie sehr man gut ausgebildete Fachkräfte braucht, um aus der Corona-Krise wieder herauszukommen.

Daher macht es jetzt Sinn, Schulabgängern einen Ausbildungsplatz für einen vielseitigen und eigentlich auch krisensicheren Beruf zur Verfügung zu stellen (zur Personalentwicklung im Anwaltsbüro s. die interessanten Ausführungen in Kilian/Heckmann, Rechtsanwälte und ihre Mitarbeiter, Deutscher Anwaltverlag 2017).

Übrigens: Der Abschluss eines Ausbildungsvertrags zum/zur Rechtsanwalts- oder Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten oder die Aufnahme einer/s interessierten Praktikanten/-in ist auch noch nach dem diesjährigen Ausbildungsstart weiterhin möglich. Interessierte Anwaltskanzleien können sich dazu an ihre jeweiligen Rechtsanwaltskammern wenden – interessierte Azubis finden weitergehende Informationen zur Ausbildung und zu freien Ausbildungsplätzen unter der von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) dafür eingerichteten Website: https://recht-clever.info/stellen/ .

Autor: Andreas Kersten, Notariatsleiter, Essen

ZAP F., S. 931–931

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