a) Angemessener Wohnbedarf bei Eigenbedarfskündigung

Die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses ist nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesse möglich. Hierzu zählt der Eigenbedarf, der voraussetzt, dass die Wohnung für eine gesetzlich vorgesehene Bedarfsperson als Wohnung "benötigt" wird. Über die Auslegung dieses Begriffs gab es schon immer Streit. Eine enge ältere Auffassung verlangte das Vorliegen einer Mangellage auf Vermieterseite, auf der anderen Seite begnügte sich eine großzügige Auffassung mit jedem Nutzungswunsch des Vermieters. Der BGH hatte bisher in Übereinstimmung mit dem BVerfG immer formuliert, dass Eigenbedarf anzunehmen sei, wenn der Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich oder eine begünstigte Person hat. Darauf, ob er unzureichend oder zu teuer untergebracht ist, kam es danach nicht an.

Daran hat der BGH (GE 2015, 585 = DWW 2015, 133 = WuM 2015, 304 = NJW 2015, 1590 = NZM 2015, 378 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 49 mit Anm. Börstinghaus; Blank jurisPR-MietR 8/2015 Anm. 4; Drasdo NJW-Spezial 2015, 321; Bittner MietRB 2015, 162; Rolfs LMK 2015, 369226) jetzt angeknüpft und sich noch weiter der weiten Auslegung des Begriffs "benötigen" angenähert. Nach der neuen Grundsatzentscheidung haben die Gerichte grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen sieht. Die Gerichte sind nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters oder seiner Angehörigen zu setzen. Der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf ist nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen. Rechtsmissbräuchlich ist nicht schon der überhöhte, sondern erst der weit überhöhte Wohnbedarf. Die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, haben die Gerichte unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen. Nach Ansicht des Senats lassen sich für die Rechtsmissbrauchskontrolle objekte Grenzen, z.B. Wohnfläche pro Person, nicht festlegen; denn diese Beurteilung hängt nicht allein von der in Anspruch genommenen Wohnfläche oder der Anzahl der Räume ab, sondern von einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls (zur anwaltlichen Vertretung im "Eigenbedarfsstreit" s. auch Fleindl NJW 2015, 2315).

b) Kündigungsausschluss bei nicht vorhersehbarem Eigenbedarf

Der Vermieter, der eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen, setzt sich mit einer später hierauf gestützten Eigenbedarfskündigung zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, wenn er den Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, bei Vertragsschluss nicht über die Aussicht einer begrenzten Mietdauer aufklärt. Die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung ist in diesen Fällen wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Voraussetzung für einen solchen Kündigungsausschluss ist aber nach Ansicht des BGH (NJW 2015, 1087 = GE 2015, 445 = NZM 2015, 296 = WuM 2015, 296 = DWW 2015, 180 = ZMR 2015, 367 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 48 mit Anm. Börstinghaus; Schmid MietRB 2015, 97; Drasdo NJW-Spezial 2015, 290), dass der Vermieter positive Kenntnis von dem zukünftigen Bedarf hat. Er ist weder verpflichtet, von sich aus vor Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags unaufgefordert Ermittlungen über einen möglichen künftigen Eigenbedarf anzustellen (sog. Bedarfsvorschau) noch den Mieter ungefragt über mögliche oder konkret vorhersehbare Eigenbedarfssituationen zu unterrichten. Daher liegt kein Rechtsmissbrauch vor, wenn der Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag wegen eines nach Vertragsschluss entstandenen Eigenbedarfs kündigt und das Entstehen dieses Eigenbedarfs für ihn zwar im Rahmen einer "Bedarfsvorschau" erkennbar gewesen wäre, er jedoch bei Vertragsabschluss eine solche Kündigung nicht zumindest erwogen hat. Etwas anderes hat allerdings dann zu gelten, wenn der Vermieter anlässlich des Vertragsabschlusses von sich aus oder auf Fragen des Mieters vorsätzlich unrichtige Angaben über den derzeitigen Stand ihm bekannter, für die Beurteilung einer Eigenbedarfssituation maßgebender Tatsachen gemacht hat.

c) Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs

Der Vermieter ist im Falle der Vortäuschung von Eigenbedarf dem Mieter gem. § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (so schon BGH NJW 2009, 2059; WuM 2011, 634). In der Praxis taucht dabei teilweise das Problem auf, dass die Mietvertragsparteien im Räumungsprozess einen Räumungsvergleich schließen. Hier stellt sich die Frage, ob damit die Ungewissheit über die Berechtigung der Eigenbedarfskündigung durch wechselseitiges Nachgeben geklärt ist, so dass die vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung gar nicht mehr kausal für den Kündigungsfolgeschaden ist. Nach Nachsicht des BGH (NJW 2015, 2324 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 50 mit Anm. Börstinghaus) ist die Frage, ob ein Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung einer Eigenbedarfssituation und dem später vom M...

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