Mehrere Entscheidungen haben sich in der letzten Zeit mit der Frage einer falschen Verdächtigung beim sog. Punktehandel befasst. Zuletzt hat dazu das OLG Stuttgart (Urt. v. 20.2.2018 – 4 Rv 25 Ss 982/17, NJW 2018, 1110 = VRR 5/2018, 16 = StRR 5/2018, 21) Stellung genommen.

Grundlage der Entscheidung war folgender Sachverhalt: Nachdem die Verwaltungsbehörde dem Angeklagten einen Anhörungsbogen wegen eines von ihm begangenen Geschwindigkeitsverstoßes zugesandt hatte, hat sich der Angeklagte auf einer Internetseite über Möglichkeiten kundig gemacht, wegen der Ordnungswidrigkeit nicht belangt zu werden. Die Internetseite enthielt auf der Einstiegsseite das prominent platzierte Versprechen: "Ich übernehme Ihre Punkte und Ihr Fahrverbot für Sie". Gemäß der gemeinsamen Absprache ließ der Angeklagte einer Person dort sodann per E-Mail das betreffende Anhörungsschreiben der Bußgeldbehörde zukommen und überwies ihr im Gegenzug 1.000 EUR auf ein Schweizer Bankkonto. Im weiteren Verlauf füllte eine andere Person als der Angeklagte den Anhörungsbogen handschriftlich aus, gab den Verstoß zu und erklärte, sie sei der zur Tatzeit verantwortliche Fahrzeugführer, wobei sie angab, die tatsächlich nicht existierende Person "Hans Jürgen Moser, Adlerstraße 3, Karlsruhe" zu sein. Die Verwaltungsbehörde leitete daraufhin ein Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen "Hans Jürgen Moser" ein und erließ einen entsprechenden Bußgeldbescheid. Zugleich stellte sie das Verfahren gegen den Angeklagten ein. Bis die Behörde darüber unterrichtet wurde, dass es einen "Hans Jürgen Moser" tatsächlich nicht gibt, war bereits Verfolgungsverjährung hinsichtlich der vom Angeklagten begangenen Ordnungswidrigkeit eingetreten, so dass der Angeklagte, wie es sein Ziel gewesen und ihm versprochen worden war, deswegen endgültig nicht mehr belangt werden konnte.

Das LG hat den Angeklagten im Berufungsverfahren vom Vorwurf der falschen Verdächtigung freigesprochen. Das OLG Stuttgart (a.a.O.) hat die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen. Der Angeklagte habe sich nicht wegen falscher Verdächtigung gem. § 164 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Er habe keine auf eine andere Person bezogene Behauptung aufgestellt. Zwar sei nicht erforderlich, dass der Täter den Verdächtigen genau und richtig bezeichnet. Die Behörde müsse jedoch unschwer ermitteln können, gegen wen sich der Verdacht nach dem Willen des Täters richten soll. Die Benennung einer fiktiven Person habe es der Behörde gerade erschweren sollen, jedenfalls innerhalb der Verjährungsfrist zu ermitteln, welche reale Person als Ausfüllender – insoweit ggf. als Tatmittler – oder als Fahrer hier zu verfolgen ist. Damit lässt sich der zu Verdächtigende gerade nicht unschwer ermitteln. Ein anderer, wie es § 164 StGB voraussetzt, müsse aber eine tatsächlich existierende Person sein. Das RG (RGSt 46, 85; auch RGSt 70, 367) habe entschieden, dass eine falsche Anschuldigung nach § 164 StGB nicht vorliege bei "Anzeigen", die sich nicht gegen "eine bestimmte, vorhandene und erkennbare, also verfolgbare Person" richteten. Der BGH habe sich mit der Frage befasst und stellte fest, dass eine strafbare Anschuldigung gegenüber einem bereits Verstorbenen nicht vorliegen kann (BGHSt 13, 219).

 

Hinweise:

Bei der kollusiven Selbstbezichtigung eines existenten Dritten hat der 2. Strafsenat des OLG Stuttgart (NStZ 2016, 155 = DAR 2015, 708) eine falsche Verdächtigung des Fahrzeugführers in mittelbarer Täterschaft und eine Beihilfe des Dritten hierzu angenommen (abl. Deutscher StRR 2015, 473; ders. ZAP F. 22R, S. 927; Niehaus DAR 2018, 395). Anderer Ansicht ist der 1. Strafsenat des OLG Stuttgart (NJW 2017, 1971) gewesen (ebenso LG Heilbronn StraFo 2017, 118 = StRR 5/2017, 20 = VRR 6/2017, 14, jeweils m. Anm. Deutscher).

Da, wie das OLG ausführt, auch keine Strafbarkeit nach §§ 145d, 258, 267, 271 StGB vorliegt, besteht an dieser Stelle eine Strafbarkeitslücke. Sie zu schließen, ist aber nicht Aufgabe der Strafjustiz (so zutreffend Deutscher VRR 5/2018, 16 = StRR 5/2018, 21).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge