aa) Funktion des § 64 WpHG

Die besonderen Verhaltensregeln für die Erbringung von Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (§ 64 WpHG) ergänzen die allgemeinen Verhaltensregeln nach § 63 WpHG. Letztere gelten für alle Wertpapierdienstleistungen, auch bei Erbringung von Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung, wobei Konkretisierungen in § 64 WpHG zu beachten sind (Gesetzentwurf, a.a.O., S. 234).

bb) Unabhängige Honorar-Anlageberatung

Wird Anlageberatung erbracht, ist der Kunde darüber zu informieren, ob diese unabhängig erbracht wird (unabhängige Honorar-Anlageberatung) oder nicht (§ 64 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG). Im Fall der unabhängigen Honorar-Anlageberatung dürfen keine nichtmonetären Zuwendungen von Dritten angenommen werden, monetäre sind an den Kunden auszukehren (§ 64 Abs. 5 S. 2, 4 WpHG).

cc) Standardisiertes Informationsblatt

Bei Anlageberatung von Privatkunden über Aktien, die an einem organisierten Markt gehandelt werden, kann anstelle des Informationsblatts nach § 64 Abs. 2 S. 1 WpHG ein standardisiertes Informationsblatt verwendet werden (§ 64 Abs. 2 S. 3 WpHG; Näheres wird durch Rechtsverordnung geregelt). Dieses "soll über den Typus der Aktien, die an organisierten Märkten gehandelt werden, insgesamt informieren und nicht für jeden Einzelwert erstellt werden" (Beschlussempfehlung, BT-Drucks 18/11775, S. 392). In diesem Fall müssen dem Kunden die Informationen über alle Kosten und Nebenkosten nach § 63 Abs. 7 S. 4 u. 5 WpHG unverlangt und unter Verwendung einer formalisierten Kostenaufstellung zur Verfügung gestellt werden (§ 63 Abs. 7 S. 10 WpHG). Dadurch soll die Kostentransparenz erhöht werden. Individuelle Informationsblätter für Aktien können ggf. weiter verwendet werden.

 

Hinweis:

Die Ausnahme gilt nur für Aktien, die an einem organisierten Markt gehandelt werden, nicht für alle anderen Aktien (etwa solche im Freiverkehr oder in anderen multilateralen oder organisierten Handelsplattformen; Beschlussempfehlung, a.a.O.).

dd) Geeignetheitserklärung

Das bisherige Beratungsprotokoll (§ 34 Abs. 2a WpHG a.F.), das entfällt, wird durch eine sog. Geeignetheitserklärung (§ 64 Abs. 4 S. 1 WpHG) ersetzt. Bei Anlageberatung ist dem Privatkunden vor Vertragsschluss eine Erklärung über die Geeignetheit der Empfehlung auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Diese hat zu umfassen: Nennung der erbrachten Beratung und Erläuterung, wie sie auf Präferenzen, Anlageziele und sonstige Kundenmerkmale abgestimmt wurde (§ 64 Abs. 4 S. 2 WpHG). In den Gesetzesmaterialien (Gesetzentwurf, a.a.O., S. 235) ist klargestellt, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen für die Durchführung der Geeignetheitsprüfung und für "angemessene Schutzmechanismen" verantwortlich ist, die sicherstellen, "dass dem Kunden keine Verluste daraus entstehen, dass in der Erklärung die persönliche Empfehlung unzutreffend oder unfair dargestellt wird, einschließlich der Frage, wie sich die abgegebene Empfehlung für den Kunden eignet, sowie der Nachteile der empfohlenen Vorgehensweise". Hinsichtlich der Einzelheiten verweist § 64 Abs. 4 S. 3 WpHG auf Art. 54 Abs. 12 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. Ausnahmsweise kann die Geeignetheitserklärung erst unmittelbar nach Vertragsschluss zur Verfügung gestellt werden, wenn im Fall der Anlageberatung der Vertragsschluss über Fernkommunikation (z.B. Telefon) erfolgt, die die vorherige Übermittlung der Erklärung nicht erlaubt, der Kunde zugestimmt hat und ihm angeboten wurde, die Geschäftsausführung zu verschieben, damit ihm ermöglicht wird, die Erklärung zuvor zu erhalten (§ 64 Abs. 4 S. 4 WpHG).

 

Hinweis:

Praktisch bedeutsam ist, dass die Geeignetheitserklärung sowohl bei Kauf- als auch Verkaufs- und Halteempfehlungen erforderlich ist; bei Halteempfehlungen ist die Erklärung im Anschluss an die Beratung zur Verfügung zu stellen (Gesetzentwurf, a.a.O., S. 235).

ee) Zuwendungen bei Finanzportfolioverwaltung

Bei Finanzportfolioverwaltung (Verwaltung einzelner oder mehrerer in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum, § 2 Abs. 8 S. 1 Nr. 7 WpHG) darf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen keine Zuwendungen von Dritten oder für Dritte handelnder Personen annehmen und behalten (§ 64 Abs. 7 S. 1 WpHG). Ausnahmsweise ist unter den restriktiven Voraussetzungen des § 64 Abs. 7 S. 2 WpHG die Annahme geringfügiger nichtmonetärer Vorteile (z.B. Teilnahme an einer Fortbildung) zulässig ("Geringfügigkeitsausnahme").

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