Mit Ablauf der sechsjährigen Abtretungsfrist endet die Wohlverhaltensperiode. Das Insolvenzgericht hat dem Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung stattzugeben, wenn die sechsjährige Abtretungsfrist ohne vorzeitige Beendigung wegen Obliegenheitsverletzungen, Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat oder fehlender Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders (§§ 296298 InsO) verstrichen und bis zum Ablauf der Frist zur Abgabe der Stellungnahme ein zulässiger und begründeter Versagungsantrag des Treuhänders oder der Insolvenzgläubiger nicht gestellt worden ist. Ein Ermessensspielraum steht dem Gericht nicht zu, unabhängig davon, ob der Schuldner Obliegenheiten verletzt hat oder nicht. Dies gilt auch dann, wenn nach Ablauf der Abtretungsfrist das Insolvenzverfahren nicht aufgehoben ist (ganz h.M., s. Nachw. bei Graf-Schlicker/Kexel, a.a.O., § 300 Rn 4 Fn 8). Auch der neugeschaffene § 303a InsO erkennt zwanglos die Möglichkeit eines fortlaufenden Insolvenzverfahrens trotz Erteilung der Restschuldbefreiung an.

 

Altverfahren, vor dem 1.7.2014 beantragte Insolvenzverfahren:

In Altverfahren hat das Gericht spätestens nach Ablauf von zwölf Jahren über den Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung zu entscheiden (BGH ZInsO 2013, 849).

Haben keine Gläubiger Forderungen zur Tabelle angemeldet, kann sowohl in den vor dem 1.7.2014 als auch danach beantragten Insolvenzverfahren sofort Restschuldbefreiung erteilt werden. In beiden Fällen ist indes erforderlich, dass die Verfahrenskosten beglichen worden sind (s. § 301 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO). Der BGH (NZI 2015, 328) lehnt in entsprechender Anwendung des § 300 Abs. 1 S. 1 InsO eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung für ein langes Insolvenzeröffnungsverfahren allerdings in den Fällen ab, in denen die verzögerte Verfahrenseröffnung durch das Insolvenzgericht verschuldet worden ist.

In allen ab einschließlich 1.7.2014 beantragten Verfahren sieht § 300 Abs. 1 S. Nr. 2 InsO die Möglichkeit einer vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung bereits nach dem Ablauf von drei Jahren vor, wenn innerhalb dieses Zeitraums dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder ein Betrag zugeflossen ist, der eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von mindestens 35 % ermöglicht. Dabei bezieht sich die Quote auf die Summe aller Forderungen, die in das Schlussverzeichnis aufgenommen wurden. Aus § 300 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 InsO folgt, dass der Schuldner daneben die Verfahrenskosten sowie die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 53 InsO) vollständig zu berichtigen hat. Dies gilt auch in Fällen einer „Direktzahlung aus Drittmitteln“ (Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks 467/12 S. 46). Damit steigt die tatsächlich vom Schuldner aufzubringende Quote erheblich an (vgl. Leipold ZInsO 2013, 2052; Möhlen ZInsO 2015, 1603).

Verfehlt der Schuldner die Mindestbefriedigungsquote von 35 %, hat er in allen ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren noch die Möglichkeit, vorzeitig Restschuldbefreiung zu erlangen, wenn er innerhalb von fünf Jahren wenigstens die Verfahrenskosten begleicht (§ 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO); der Betrag muss dem Verwalter oder Treuhänder innerhalb der Frist zugeflossen sein. Dies stellt einen weiteren Anreiz dar, weil der Schuldner gem. § 4b Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO noch vier Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung für die gestundeten Verfahrenskosten in Anspruch genommen werden kann.

In allen Fällen des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1–3 InsO erfolgt die Verkürzung nur auf Antrag des Schuldners. Der Antrag selbst ist an keine Frist gebunden, so dass er auch nach Ablauf der Fristen gem. Nr. 2, 3 gestellt werden kann. Den Schuldner trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die Voraussetzungen der Verkürzung erfüllt (BT-Drucks 17/11268 S. 31). Das Gericht hat vor einer Entscheidung eine Anhörung der Beteiligten vorzunehmen. Den Gläubigern und dem Treuhänder wird gem. § 300 Abs. 3 InsO die Gelegenheit eingeräumt, einen Versagungsantrag nach den §§ 296298 InsO zu stellen. Soweit das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen ist, findet die Vorschrift des § 290 InsO Anwendung (zur Rechtslage in vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren s. BGH ZVI 2010, 68 ff.).

Grundsätzlich wird das Gericht seine Entscheidung im schriftlichen Verfahren treffen. Zulässig ist aber auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung. Sie empfiehlt sich, wenn ein Insolvenzgläubiger einen zulässigen Versagungsantrag nach § 296 InsO form- und fristgerecht gestellt hat und Zeugen zu vernehmen sind.

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