Der für die Rechtsanwendung schwierige – durch Doppel-Verweisungsketten (WpHG plus Marktmissbrauchsverordnung) geprägte – Tatbestand des § 38 Abs. 1 WpHG erfasst Marktmanipulation. In Nr. 1 und 2 des Tatbestands wird hinsichtlich der inkriminierten vorsätzlichen Handlungen auf die Bußgeldtatbestände des § 39 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Abs. 3c WpHG und des § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG verwiesen. Diese nehmen ihrerseits Bezug auf Verbotstatbestände des Art. 15 i.V.m. Art. 12 Marktmissbrauchsverordnung. Exemplarisch sei die praktisch bedeutsame Regelung des § 38 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG herausgegriffen: Durch die Verweisung auf Art. 15 Marktmissbrauchsverordnung und damit implizit auf die Tatbestände des Art. 12 Marktmissbrauchsverordnung werden z.B. der Abschluss eines Geschäfts, die Erteilung eines Handelsauftrags und jede andere Handlung erfasst, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments gibt (Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Marktmissbrauchsverordnung).

Durch die komplexe Tatbestandskonstruktion soll erreicht werden, dass "eine weitgehende Einheitlichkeit" zwischen den OWi-Tatbeständen, für die die Marktmissbrauchsverordnung unmittelbar gilt, "und den Straftatbeständen, die nach Richtlinie 2014/57/EU in nationales Recht umzusetzen sind, hergestellt wird" und bestimmte Regelungen zum Anwendungsbereich der Marktmissbrauchsverordnung und zu Ausnahmen für die Straftatbestände ebenfalls maßgebend sind (näher Gesetzentwurf, a.a.O., S. 64).

 

Hinweis:

Bei der Rechtsanwendung sind WpHG und Marktmissbrauchsverordnung "nebeneinander zu legen", was die Rechtsfindung nicht erleichtert. Hat der erste Prüfungsschritt ergeben, dass einer der Verbotstatbestände erfüllt ist, so ist weiter zu prüfen, ob durch die Handlung auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis bzw. Preis eines Finanzinstruments (oder eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts), den Preis einer Ware etc. oder auf die Berechnung eines Referenzwerts eingewirkt worden ist (s. näher § 38 Abs. 1 Buchst. ad WpHG).

Das Tatbestandsmerkmal "Berechnung eines Referenzwertes" erfasst z.B. die Manipulation von Zinssätzen (Stichwort Libor-Skandal). Somit ist im ersten Prüfungsschritt die Manipulationshandlung und im zweiten der Erfolgseintritt (Manipulationserfolg) festzustellen. Der Nachweis eines Manipulationserfolgs durch die Ermittlungsbehörden ist regelmäßig schwer zu führen. Der Versuch ist in den in § 38 Abs. 4 WpHG genannten Fällen strafbar.

§ 38 Abs. 1 WpHG sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. In den Fällen des § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG wird gewerbs- oder bandenmäßiges Handeln und die Begehung in Ausübung der Tätigkeit für eine inländische Finanzaufsichtsbehörde, ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, eine Börse oder einen Handelsplatzbetreiber mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft (§ 38 Abs. 5 Nr. 1 und 2 WpHG). Damit sind diese Begehungsweisen – obwohl a priori ein Gefälle im Unrechts- und Unwertgehalt zwischen der Begehung i.S.d. Nr. 1 und Nr. 2 des § 38 Abs. 5 WpHG besteht – gleichermaßen als Verbrechen eingestuft. Dies hat u.a. zur Folge, dass § 153a StPO unanwendbar ist.

Ein Verstoß gegen die Marktmissbrauchsverordnung durch vorsätzliche oder leichtfertige Begehung einer Markmanipulation (Art. 15 Marktmissbrauchsverordnung) stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG). Der Bußgeldrahmen ist angehoben worden. Künftig können in den Fällen des § 39 Abs. 3b und Abs. 3d Nr. 2 WpHG (Marktmanipulation und Insiderhandel) Geldbußen bis zu fünf Mio. Euro – statt bis zu einer Mio. Euro in der Vergangenheit – ergehen (§ 39 Abs. 4a S. 1 WpHG). Gegen eine juristische Person kann eine höhere Geldbuße verhängt werden: 15 Mio. Euro bzw. 15 % des Gesamtumsatzes des vorausgegangenen Geschäftsjahres (§ 39 Abs. 4a S. 2 WpHG).

 

Hinweis:

Die BaFin hat unter den Voraussetzungen des § 40d WpHG Sanktionsmaßnahmen bei Marktmissbrauch – also auch bei Insiderhandel – auf ihrer Internetseite bekannt zu machen.

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