Antworte ich auf die Frage nach meiner Tätigkeit, so wird dies in den allermeisten Fällen mit "Ah, Rechtsanwältin..." kommentiert. Es folgt eine gelangweilte Pause. "Ein bestimmtes Rechtsgebiet?" schiebt sich immerhin noch hinterher. "Ja", antworte ich dann schon leicht belustigt, weil ich weiß, was kommt: "Sportrecht!". "Sportrecht?" Große Augen. "Also Sportunfälle und so?" "Nicht nur", beginne ich dem dann meist uneingeschränkt interessierten Zuhörer zu erzählen, was ich als Sportrechtsanwältin so mache.

Das ist immer einer der Momente, in denen ich selbst staune, wie viele diverse Aspekte das Sportrecht umfasst. Haben Sie sich diese Frage schon einmal gestellt: Was ist Sportrecht? Möglicherweise im Zusammenhang mit der am 26.11.2018 durch die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) beschlossenen Einführung des Fachanwalts für Sportrecht als 24. Fachanwaltschaft?

Nun ja, mit Sportunfällen kann Sportrecht auch zu tun haben. Mit sich daran anschließenden Versicherungsfragen, die unterschiedlich beantwortet werden müssen, je nachdem, ob es sich bei dem Sportler um einen Schüler, einen Hobbytriathlet oder um einen Arbeitnehmer eines Fußballvereins handelt. Mit Vereins- und Verbandsrecht, denn eine Satzung muss rechtmäßig gestaltet und formal korrekt im Vereinsregister eingetragen, Vereinsstrafen richtig verhängt, wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb und steuerbegünstigter Zweckbetrieb getrennt und Spenden richtig vereinnahmt sein. Mit Vertragsrecht und AGB, denn die Werbe- und Sponsoringverträge, die Medienverträge, Veranstalterverträge, die Arbeitsverträge – kurz, alle Arten von Verträgen – müssen individuell ausgestaltet und rechtssicher sein.

Oder haben Sie schon mal etwas von Doping gehört? Von der Nationalen Anti-Doping Agentur und dem Anti-Doping-Gesetz? (Steuer-)Gelder fließen nur in den Sport, wenn die Verbände, Vereine, Athleten und mitunter auch Sponsoren und Veranstalter an die Anti-Doping-Regelwerke gebunden sind. Lückenlos. Damit im Falle eines Verstoßes sanktioniert werden kann. Durch den Verband, das Nationale Sportschiedsgericht (DIS) bis hin zum Internationalen Sportschiedsgerichtshof (CAS) in Lausanne. Vielleicht haben Sie aber insbesondere vor internationalen Sporthöhepunkten von einstweiligen Verfügungsverfahren gelesen, in denen sich Sportler ihre Zulassung (Nominierung) zu eben diesen erstreiten wollen.

Sportrecht greift auch ethische und moralische Fragen auf: Soll Doping freigegeben werden? Sollen hyperandrogene Frauen vom Spitzensport ausgeschlossen werden, weil ihre Hormonwerte zu hoch sind? Benötigt man für Sportler neutralen Geschlechts eine eigene Wettkampfklasse? Sollen alle Sportarten gleichermaßen allen Geschlechtern zugänglich sein? Sind mixed-Wettbewerbe die gerechteren? Soll eSport in Deutschland als gemeinnützig anerkannt werden? Sind Kollektivstrafen für Verstöße nicht zu identifizierender Einzeltäter richtig? Dürfen auch Ausländer deutsche Meister werden?

Sie werden jetzt schon erkannt haben, dass zur Beantwortung all dieser Fragen eine fundierte juristische Ausbildung und die Kenntnis der einschlägigen Gesetze zwingend notwendig sind. Das gilt für alle Berufsjuristen. Hinzu kommen jedoch die einschlägigen Regelwerke der Sportvereine und Sportverbände, der Sportinstitutionen bis hin zum Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Allein die Loseblattsammlung von Deutschem Fußball Bund (DFB) und Deutscher Fußball Liga (DFL) umfasst 1.230 Seiten, die Rennordnung des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen 712 Paragrafen. Das IOC bringt für jede Ausgabe der Olympischen Spiele eigene Regularien heraus. Das ist der Autonomie des Sports geschuldet. Sie mündete in einem weltweiten, von staatlichem Einfluss und staatlicher Prüfung weitestgehend unabhängigen Rechtssystem (lex sportiva) mit einer Sport- und Schiedsgerichtsbarkeit nach eigenen Verfahrensordnungen.

Dabei macht der Sport an den Grenzen nicht Halt. Deutsche Sportler treten in internationalen Wettkämpfen und Ligen an, ausländische Sportler starten in Deutschland. Investoren, Sponsoren, Medienunternehmen sind international. Sanktionen von ausländischen Verbänden oder Institutionen müssen in Deutschland umgesetzt werden. Spielmanipulation und Doping sind weltumfassende Phänomene. Weltweit gilt im Sport der Leitgedanke des sog. Fair Play oder des level playing field. Dabei handelt es sich um einen Rechtsbegriff des Sportrechts, der über das Gebot von Treu und Glauben im deutschen Zivilrecht hinausgeht. Diesen Leitdanken gilt es zu verteidigen.

Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass sich der Sport in den vergangenen Jahren auf allen Ebenen kommerzialisiert hat. Damit einher ging nicht nur seine Verrechtlichung, sondern vor allem auch eine enorme Steigerung des Beratungsbedarfs im Breiten- wie im Profisport. Aus meiner Sicht ist es unmöglich, individuell und fundiert im Sportumfeld zu beraten, wenn einem die vielen Facetten, die rechtlichen wie faktischen Besonderheiten des Sports nicht vertraut sind, wenn die Erfa...

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