Wie unter I 1 erörtert, kann das Prozessgericht nacheinander auch mehrere Zwangsgeldbeschlüsse erlassen, wenn der Schuldner die ihm auferlegte Handlung nicht vornimmt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob dem Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers oder des Schuldners für die Vertretung in den nacheinander durchgeführten Zwangsgeldverfahren jeweils eine gesonderte 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG zusteht.

 

Beispiel:

Der Beklagte B ist durch rechtskräftiges Urt. v. 1.7. zur Erteilung einer näher beschriebenen Auskunft verurteilt worden. B erteilt die Auskunft auch weiterhin nicht. Kläger K beantragt, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, beim Prozessgericht, gegen B gem. § 888 ZPO ein Zwangsgeld zu verhängen. Das Prozessgericht verhängt gegen B durch Beschl. v. 1.9. ein Zwangsgeld i.H.v. 5.000 EUR und’erlegt ihm die Kosten des Zwangsgeldverfahrens auf. Da B trotz Vollstreckung dieses Zwangsgelds die Auskunft auch weiterhin nicht erteilt, verhängt das Prozessgericht auf Antrag des K, der auch hier von seinem Prozessbevollmächtigten vertreten wird, durch Beschl. v. 1.12. ein weiteres Zwangsgeld i.H.v. 10.000 EUR und erlegt B die Kosten des Verfahrens auf.

Es stellt sich somit die Frage, ob der Rechtsanwalt des Klägers sowohl für das erste durch Beschl. v. 1.9.’abgeschlossene Zwangsgeldverfahren als auch für das zweite durch Beschl. v. 1.12. abgeschlossene Zwangsgeldverfahren jeweils eine 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG erhält.

a) Der Streitstand

Ob die wiederholte Beantragung von Zwangsmitteln zur Erwirkung derselben nicht vertretbaren Handlung jeweils eine besondere Angelegenheit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 13 RVG darstellt, ist umstritten.

  • Nach einer Auffassung löst ein wiederholter Zwangsmittelantrag keine neue 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG aus (LG Mannheim RVGreport 2008, 23 [Hansens]; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., Nr. 3309 VV RVG Rn 209; Riedel/Sußbauer/Pankatz, RVG, 10. Aufl., § 18 Rn 40; Bischof/Jungbauer/Bräuer, RVG, 8. Aufl., § 18 Rn 37; Mayer/Kroiß/Rohn, RVG, 4. Aufl., § 18 Rn 91; AnwaltsKomm-RVG/Mock, 8.Aufl., § 18 Rn 144; Volpert in Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 18 Rn 164; Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl., § 888 Rn 18; Stein/Jonas/Bartels, ZPO, 23. Aufl., § 888 Rn 43; Saenger/Kießling, ZPO, 8. Aufl., § 888 Rn 96; Hansens, RVGreport 2008, 23 f.).
  • Nach der Gegenauffassung leitet jeder neue Zwangsmittelantrag eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit ein (Mayer/Kroiß/Rohn, RVG, 7. Aufl., § 18 Rn 93; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 18 Rn 76; Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl., § 18 RVG Rn 41; Thiel in NK-Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., § 18 RVG Rn 17).

b) Die Auffassung des BGH

Der BGH hat sich jüngst (RVGreport 2020, 222 [Hansens]) der erstgenannten Auffassung angeschlossen, wonach die mehrfache Beantragung von Zwangsgeld oder Zwangshaft i.R.d. Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO eine einzige besondere Angelegenheit bis zur Erzwingung der betreffenden Handlung darstellt.

Hierzu hat sich der BGH auf den Gesetzeswortlaut des § 18 Abs. 1 Nr. 13 RVG gestützt, der seiner Auffassung nach dafür spricht, das gesamte Verfahren der Vollstreckung nach § 888 ZPO als Einheit zu sehen, das pauschal alle Tätigkeiten des Anwalts abdeckt, einschließlich der mehrfachen Erwirkung der Verurteilung zu Zwangsgeld oder Zwangshaft.

Zur Abgrenzung hat der BGH auch auf die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 14 RVG verwiesen, wonach i.R.d. Vollstreckung gem. § 890 ZPO „jede Verurteilung zu einem Ordnungsgeld” als besondere Angelegenheit ausgestaltet ist. Diese unterschiedliche Gebührenregelung ist nach Auffassung des BGH im Regelfall sachlich gerechtfertigt. Diese Regelung beruhe auf den Unterschieden zwischen den einzelnen Vollstreckungsarten. Bei der Vollstreckung nach § 888 ZPO begehrt nämlich der Gläubiger mit jedem Zwangsmittelantrag die Erfüllung derselben Verpflichtung des Schuldners (s. hierzu auch Hansens in Anm. zu LG Mannheim RVGreport 2008, 23, 24). Somit bleibt das einheitliche Vollstreckungsziel, hier also die Erteilung der Auskunft, dasselbe. Das Zwangsmittelverfahren ist somit erst mit der vollständigen Vornahme der Handlung durch den Schuldner oder dann beendet, wenn der Gläubiger es nicht weiter betreibt. Ferner hat sich der BGH auch auf die Vorgängerregelungen des § 18 Abs. 1 Nr. 13 RVG bezogen, nämlich auf § 34 RAGebO in der Fassung vom 5.7.1927 und auf § 58 Abs. 3 Nr. 8 und 9 BRAGO.

Dies hat in unserem Beispiel zur Folge, dass der Rechtsanwalt des Klägers insgesamt nur eine einzige 0,3’Verfahrensgebühr erhält.

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