Bereits seit 2005 gibt es die Fachanwaltschaft für Transport- und Speditionsrecht. Aber was genau in diesen Tätigkeitsbereich fällt, ist bislang offenbar noch nie präzise umrissen worden. Eine Definition etwa von "Transportrecht" findet sich im Gesetz nicht; in der einschlägigen Vorschrift des § 14g FAO wird die Vokabel lediglich in mehrfachem Zusammenhang wiederholt (Straßentransport, Wassertransport, grenzüberschreitender Transport; Transportversicherung etc.). Ob dazu etwa auch die Personenbeförderung gehört, bleibt offen. Es ist deshalb einigermaßen erstaunlich, dass eine solche Streitfrage erst jetzt – rund 15 Jahre nach Einführung der Fachanwaltschaft – vor den Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) kam.

Die Richter des Anwaltssenats in Karlsruhe hatten letztinstanzlich über die Verleihung einer’entsprechenden Fachanwaltsbezeichnung zu entscheiden. Sie bemühten zu diesem Zweck die juristische Fachliteratur, allgemeine Lexika, befragten Anwaltskammern und recherchierten sogar im Internet. Am Ende kamen sie zu dem Ergebnis: Das Personenbeförderungsrecht gehört allenfalls am Rande dazu (BGH, Urt. v. 22.6.2020 – AnwZ [Brfg] 48/19).

Hintergrund des Falls war, dass eine Rechtsanwältin sich um den Fachanwaltstitel für Transport- und Speditionsrecht bemüht hatte. Ihre zuständige Rechtsanwaltskammer lehnte die Erteilung der Fachanwaltsbezeichnung jedoch ab. Begründung: Aus Sicht der Kammer fehlten die vorgeschriebenen praktischen Erfahrungen. Denn die meisten der von der Kollegin eingereichten Fälle enthielten Mandate aus dem Reiserecht, nämlich Ansprüche aus Luftbeförderungsverträgen wegen Verspätung oder Annullierung von Flügen. Diese könnten, so die Juristen der Anwaltskammer, nicht dem Transport- und Speditionsrecht zugeordnet werden. Dagegen klagte die Anwältin, blieb jedoch sowohl beim Anwaltsgerichtshof als jetzt auch beim BGH ohne Erfolg.

In seiner ausführlich begründeten Entscheidung konstatiert der Senat zunächst, dass eine Legaldefinition des Begriffs "Transportrecht" nicht existiert. Die im Verlauf des Rechtsstreits befragten Rechtsanwaltskammern hätten zu der Frage uneinheitlich Stellung genommen: Teilweise werde die Zugehörigkeit des Personenbeförderungsrechts zum Transportrecht i.S.v. § 14g FAO’verneint, teilweise bejaht. Soweit sie verneint werde, werde teilweise die Auffassung vertreten, eine Verleihung des Fachanwaltstitels solle dennoch wegen der "Unschärfe" des Gesetzes in § 14g’Nr. 2 FAO nicht verweigert werden, wenn auch Fälle bearbeitet worden seien, in denen es um’eine Personenbeförderung gehe. Soweit die Zugehörigkeit des Personenbeförderungsrechts zum Transportrecht bejaht werde, werde teilweise eine "Abgewichtung" befürwortet, wenn sich der Antragsteller auf eine Mehrzahl von Fallbearbeitungen zur Fluggastrechte-Verordnung stütze.

Die Anwaltsgerichtshöfe hätten die Frage, ob Fälle aus dem Bereich der Personenbeförderung i.R.d. § 14g FAO gezählt werden könnten, – soweit ersichtlich – bisher nicht beantwortet. Auch die Fachliteratur sei unergiebig: Während dort teilweise ausgeführt werde, das Transportrecht umfasse nicht das Recht der Personenbeförderung (so etwa das Creifelds-Wörterbuch), gehörten nach anderer Auffassung die Regelungen über den Personenbeförderungsvertrag durchaus zum Transportrecht. Die Richter des Anwaltssenats bemühten sodann auch allgemeine Lexika: Im Duden werde der "Transport" als das Transportieren von Dingen oder Lebewesen definiert. Und laut Wikipedia sei das "Transportrecht" ein Teilgebiet des Handelsrechts. Es umfasse die Regelungen über die Beförderung, besser den "Transport" von Gütern. Davon klar abzugrenzen sei der "Transport", besser die "Beförderung" von Personen und mit den Personen mitreisenden Gütern, also Gepäck.

Nachdem alle diese Recherchen kein eindeutiges’Ergebnis zeitigten, gingen die Richter zur klassischen Auslegung (Wortlaut, Entstehungsgeschichte der Norm, Sinn und Zweck der Regelung) über. Beim Sinn und Zweck der Regelung wurden sie dann fündig: Ein Rechtsanwalt, der eine Fachanwaltsbezeichnung führe, weise das rechtsuchende Publikum auf Spezialkenntnisse und praktische Erfahrungen hin, über die er im Unterschied zu Allgemeinanwälten verfüge. Das Personenbeförderungsrecht stelle allenfalls einen Randbereich des Transportrechts dar. Das treffe in besonderem Maße für Ansprüche aus der Fluggastrechte-Verordnung zu. Diese würden typischerweise von Allgemeinanwälten bearbeitet. Bei einem Rechtsanwalt, der eine Fachanwaltsbezeichnung führe, erwarte das’rechtsuchende Publikum aber vielmehr Spezialkenntnisse und praktische Erfahrungen, die über die eines Allgemeinanwalts hinausgehen.

Ein Mandant, der einen Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht aufsuche, dürfe daher berechtigterweise erwarten, dass dieser sich, soweit das Transportrecht betroffen ist, in erster Linie im Bereich des Gütertransportrechts auskenne. Hingegen würde ein Mandant, der als Flugpassagier Rechte aus der Fluggastrechte-Verordnung oder wegen verlorengegangener oder verspä...

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