In der Praxis werden außergebührenrechtliche Einwendungen häufig damit begründet, dass der Auftraggeber gegenüber der verfahrensgegenständlichen Vergütungsforderung des Rechtsanwalts mit einer Gegenforderung aufrechnet. Den größten Raum nimmt dabei nach meinen Erfahrungen aus weit über 1.000 Vergütungsfestsetzungsverfahren die Aufrechnung des Mandanten mit einem Anspruch auf Schadensersatz gegen den Rechtsanwalt wegen Schlechtvertretung ein.

 

Beispiel:

Der Mandant macht im Vergütungsfestsetzungsverfahren geltend, er sei in dem von dem Rechtsanwalt geführten Rechtsstreit deshalb unterlegen, weil ihn der Anwalt schlecht vertreten hat. Dahinter steht der Einwand des Mandanten, ihm stehe wegen der Schlechtvertretung ein Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt zu, dem er dessen Vergütungsforderung entgegenhält. Ein solcher Einwand ist im Regelfall beachtlich und führt zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung. Er ist ausnahmsweise dann als "offensichtlich aus der Luft gegriffen" nicht zu berücksichtigen, wenn sich aus den Gerichtsakten ergibt, dass der Rechtsanwalt den Rechtsstreit für den Mandanten in vollem Umfang gewonnen hat. Denn in einem solchen Fall müsste der Mandant im Einzelnen darlegen, welcher Schaden ihm durch die behauptete Schlechtvertretung gleichwohl erwachsen sein soll.

Der Fall des OVG NRW (RVGreport 2016, 210 [Hansens]) belegt, dass die von dem Auftraggeber erklärte Aufrechnung ihre Grundlage auch in anderen Rechtsverhältnissen haben kann. In jenem Fall hatte der Mandant im Vergütungsfestsetzungsverfahren geltend gemacht, er rechne mit einer Gegenforderung auf, die ihm selbst gegen den Anwalt aus einer Beratungstätigkeit als Architekt sowie Absprachen hierüber zustünden. Der Rechtsanwalt hatte diese Gegenforderung zwar bestritten, der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat jedoch gleichwohl die Vergütungsfestsetzung abgelehnt.

Das OVG NRW hat darauf hingewiesen, dass im Vergütungsfestsetzungsverfahren über die vom Antragsgegner erhobenen außergerichtlichen Einwendungen in der Sache nicht zu entscheiden sei, da allein die Erhebung solcher außergebührenrechtlicher Einwendungen oder Einreden genügten und nicht über die Richtigkeit dieser zu entscheiden sei. Deshalb kam es hier auch nicht darauf an, dass der Rechtsanwalt die Gegenforderung bestritten hatte. Das OVG NRW hat damit der Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zugestimmt.

Auch hier war den Beschlussgründen nicht zu entnehmen, ob der Antragsgegner die Höhe der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung vorgetragen hat. Denn auch hier gilt – ebenso wie im Fall des BVerfG (s.o.) –, dass die Festsetzung nur insoweit abzulehnen ist, soweit der Antragsgegner Einwendungen außergebührenrechtlicher Art erhebt. Die Ablehnung der Vergütungsfestsetzung kommt deshalb nur dann in vollem Umfang in Betracht, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung des Antragsgegners mindestens so hoch ist wie die im Vergütungsfestsetzungsantrag enthaltene Anwaltsvergütung. Ansonsten kommt nur die teilweise Ablehnung der Vergütungsfestsetzung in Betracht, so dass der Restbetrag dann festzusetzen ist.

 

Praxishinweis:

Da im Vergütungsfestsetzungsverfahren die Berechtigung der außergebührenrechtlichen Einwendungen gerade nicht zu prüfen ist, kann sich der Rechtsanwalt jegliche Ausführungen zur Berechtigung dieser Einwendungen ersparen. Aufgrund jahrzehntelanger praktischer Erfahrung wird m.E. so mancher Auftraggeber durch diese Rechtslage beflügelt, seinen Tatsachenvortrag etwas auszuschmücken, so dass mancher Rechtsanwalt das von ihm geführte Mandat in der Schilderung des Mandanten nicht wiedererkennt. Gleichwohl sollte der Anwalt der Versuchung widerstehen, den Behauptungen des Auftraggebers ausführlich entgegenzutreten. Dieser Zeit- und Arbeitsaufwand sollte besser für die Formulierung der nachfolgenden Honorarklage verwandt werden. Allein erfolgversprechend ist der Versuch, die Einwendungen als "offensichtlich aus der Luft gegriffen" darzustellen (hierzu s. Hansens ZAP F. 24, S. 1458 ff.). Ferner sollte der Rechtsanwalt prüfen, ob die Einwendungen des Mandanten überhaupt die gesamte Vergütungsforderung betreffen. Da die Gerichte – wie die Entscheidungen des BVerfG und des OVG NRW (s.o.) zeigen –, dabei recht großzügig sind, könnte hier entsprechender Vortrag des Anwalts zum Teilerfolg seines Vergütungsfestsetzungsantrags führen.

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