Art. 8 EMRK enthält eine nur schwach formulierte Gewährleistung. Er verpflichtet die Vertragsstaaten zur Achtung des Jedermann zustehenden Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Dies umfasst namentlich die Unverletzlichkeit der Wohnung sowie die Gewährleistung eines Brief- und Telekommunikationsgeheimnisses. Art. 8 EMRK beschreibt damit einen Teilbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Er schützt dieses Recht jedoch nur insoweit, wie er für Eingriffe einen Gesetzesvorbehalt fordert und verlangt, dass der Eingriff "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" sein muss, was etwa politisch motivierte Eingriffe ausschließt. Darüber hinaus verlangt die Menschenrechtskonvention eine Rechtfertigung des Eingriffs aus Gründen

  • der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (einschließlich der Moral),
  • der öffentlichen Gesundheit,
  • der nationalen Sicherheit,
  • des wirtschaftlichen Wohls des Staates,
  • der Kriminalprävention oder
  • zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

Bestandteil des Rechts auf Achtung des Privatlebens ist auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Art. 8 EMRK enthält damit auch eine rudimentäre Verpflichtung der Staaten zum Schutz der Daten seiner Bürger ( www.menschenrechtskonvention.eu/privatsphaere-und-familienleben-9292/ ).

 

Hinweis:

Art. 8 EMRK fordert nur eine Achtung der Wohnung, gewährleistet allerdings nicht (wie Art. 13 GG) deren Unverletzlichkeit (vgl. www.menschenrechtskonvention.eu/unverletzlichkeit-der-wohnung-9334/ ).

 

Kolesnichenko gegen Russland (Durchsuchung einer Anwaltskanzlei)

Der Begriff "Wohnung" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Privatwohnung, sondern auch Geschäftsräume, insbesondere die Kanzlei eines Rechtsanwalts. Die Verfolgung und Behinderung von Anwälten berührt den Kernbereich des Konventionssystems. Deswegen muss die Durchsuchung einer Anwaltskanzlei besonders sorgfältig geprüft werden. Die Durchsuchung ist ein Eingriff in das in Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Wohnung. Bei der Prüfung, ob sie "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" i.S.v. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist, stellt der Gerichtshof insbesondere darauf ab, ob es im staatlichen Recht wirksame Garantien gegen Missbrauch und Willkür gibt. Bei Durchsuchung einer Anwaltskanzlei müssen unabhängige Zeugen zugezogen werden, die beurteilen können, ob geschützte Unterlagen eingesehen und beschlagnahmt werden. Wenn sie keine juristische Ausbildung haben, sind sie keine geeigneten Zeugen. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit berücksichtigt der Gerichtshof die Auswirkungen einer Durchsuchung auf die Arbeit und den Ruf eines Anwalts. Die Durchsuchungsanordnung muss, soweit das praktisch möglich ist, begrenzt und so gefasst sein, dass sie die Auswirkungen in angemessenen Grenzen hält (EGMR, Urt. v. 9.4.2009 – 19856/04, NJW 2010, 2109 ff.).

 

Wieser und Bicos Beteiligungen GmbH gegen Österreich

Durchsuchung und Beschlagnahme elektronischer Daten einer Anwaltskanzlei – Verletzung des Art. 8 EMRK (EGMR, Urt. v. 16.10.2007 – 74.336/01, NJW 2008, 3409 = ÖJZ 2008, 246).

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