Die Corona-Pandemie hat die Anwaltschaft teilweise recht hart getroffen. Kontaktbeschränkungen im Kanzleialltag, Homeoffice, Sorgen um die Kinderbetreuung, rückläufige Mandatszahlen und finanzielle Betroffenheit waren die häufigsten Probleme, denen sich Kolleginnen und Kollegen seit Beginn der Pandemie im März ausgesetzt sahen. Hinzu trat die Unsicherheit aufgrund des Flickenteppichs an unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern, der gerade ortsübergreifend tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte betraf. Verstehen Sie mich nicht falsch. Der Föderalismus in unserem Land hat sich bewährt. Und insb. aufgrund des in den Bundesländern sehr unterschiedlich verlaufenden Infektionsgeschehens war es notwendig und sachgerecht, unterschiedliche Verordnungen zu erlassen, um die Bevölkerung optimal und regional zugeschnitten vor Ansteckung zu bewahren. Gleichwohl entstand durch die sehr unterschiedliche Handhabung in den Ländern auch Verwirrung: Was gilt nun wo? Muss ich in der Kanzlei eine Maske tragen? Sind die Gerichte ausgestattet mit der Technik für Bild- und Tonübertragung? Welches Gericht arbeitet gerade in welchem Dienstbetriebsmodus? Wie kann ich Soforthilfen beantragen? Warum habe ich keinen Anspruch auf Kindernotbetreuung? Dies ist nur ein Auszug aus den zahlreichen Fragen, die sich Kolleginnen und Kollegen während der Pandemie stellten und weiterhin stellen.

Dem gesteigerten Informationsbedürfnis von Kolleginnen und Kollegen haben wir mit einer Corona-Sonderseite auf der BRAK-Homepage Rechnung getragen, die nicht nur allgemeine Informationen, sondern auch Übersichten zu Verordnungen in allen Bundesländern, berufsrechtliche Hinweise, Meldungen aus der Justiz zum Dienstbetrieb der Gerichte bündelte, sondern – mittlerweile – weit über 600 Gerichtsentscheidungen enthält (s. dazu https://brak.de/corona ).

Im Rahmen der Krisen-Gesetzgebungsverfahren haben wir initiativ dort Stellungnahmen abgegeben, wo es geboten war, um die Interessen der Anwaltschaft und der Mandanten zu vertreten und das Funktionieren unseres Rechtsstaats auch während der Krise sicherzustellen. Besonderes Augenmerk haben wir auf die Forderung gelegt, dass der Rechtsstaat nach der Pandemie nicht durch Krisengesetzgebung geprägt sein darf und dass – gerade auch in einer Krise – stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss.

Wir erhielten täglich unzählige Zuschriften aus der Kollegenschaft mit der Bitte um Unterstützung bei den verschiedensten Problemen und Anliegen. Um diesen Unterstützungsbedarf konkret zu ermitteln, führte die BRAK eine Umfrage zu den Auswirkungen der Krise auf die Anwaltschaft durch, an der sich rund 14.500 Anwältinnen und Anwälte beteiligten. Die Auswertung zeigte u.a., dass immerhin 33 % der Anwaltschaft auf Kinderbetreuung angewiesen waren, in ihrem Bundesland jedoch keine Unterstützung erhielten. Dies bedeutete für uns akuten Handlungsbedarf: Mit Presseerklärungen, Schreiben an die Bundeskanzlerin und Bundes- und Landesminister verschiedenster Ministerien sind wir für die Interessen der Anwaltschaft nahezu 24/7 eingetreten.

Es ist mir unverständlich, dass solche Forderungen – gerade in Sachen Systemrelevanz – überhaupt nötig waren. Nur in zwei Bundesländern, nämlich Brandenburg und Sachsen-Anhalt, hat man der Anwaltschaft "freiwillig" Systemrelevanz zugestanden. Die inzwischen durch die BRAK und die regionalen Kammern erreichte Quote von 13/16 erforderte dagegen stetigen und regelrecht penetranten Einsatz. Sicher, der Erfolg gibt uns Recht. Die Anwaltschaft ist systemrelevant! Das haben schlussendlich auch zahlreiche weitere Bundesländer erkannt und die Anwaltschaft in die kritische Infrastruktur aufgenommen.

Es bleibt jedoch die Frage, weshalb die BRAK hierfür kämpfen musste. Dass Anwältinnen und Anwälte zur kritischen Infrastruktur zu rechnen sind, sollte meines Erachtens eine Selbstverständlichkeit sein, die über jeden Zweifel erhaben ist.

Die Anwaltschaft war und ist in dieser Krise besonders gefordert. Sie ist in der aktuellen Krisensituation weiterhin für ratsuchende Bürgerinnen und Bürger erreichbar. Sie hat als Organ der Rechtspflege eine elementare Bedeutung für unseren Rechtsstaat. Dieser wichtigen Aufgabe müssen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte weiter nachkommen. Sie müssen ihr aber auch weiter nachkommen "können". Allein aus diesem Grunde drängt sich die Systemrelevanz auf. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen berichteten davon, dass sie bei der Notbetreuung abgewiesen wurden, mit der Folge, dass sie die Kinder entweder unbeaufsichtigt lassen oder mit zu Gerichtsterminen nehmen mussten. Das halte ich für nicht hinnehmbar.

Natürlich versteht es sich von selbst, Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Personal, Pflegepersonal und beispielsweise Apothekerinnen und Apotheker sowie Mitarbeiter von Laboren als Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur auszuwählen, da sie in dieser bedrohlichen Lage für die Gesundheit der Bevölkerung an vorderster Front stehen. Gleiches gilt für Berufsgruppen, die...

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