§ 315c Abs. 1 StGB erfasst in Nr. 1 das Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr im Zustand der Fahruntüchtigkeit und in Nr. 2 insgesamt sieben abstrakt besonders gefährliche Verkehrsverstöße. Kommt eine dieser "sieben Todsünden" in Betracht, muss hinzukommen, dass der Täter grob verkehrswidrig und rücksichtslos handelte.

Grob verkehrswidrig ist ein besonders schwerer und gefährlicher Verstoß gegen eine Verkehrsvorschrift. Rücksichtslos handelt, wer sich im Straßenverkehr aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder wer aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht aufkommen lässt und unbekümmert über die Folgen seines Verhaltens drauflosfährt (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 315c StGB, Rn 23, 24 m.w.N.).

 

Hinweis:

Die Umstände, aus denen sich grobe Verkehrswidrigkeit und Rücksichtslosigkeit ergeben, hat das Gericht nachvollziehbar darzulegen. Hieran fehlt es nicht selten in Urteilen, aber auch in Beschlüssen gem. § 111a StPO.

Insbesondere wird oftmals verkannt, dass das äußere Tatgeschehen alleine für die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit nicht ausreicht, sondern es auf die konkrete Verkehrssituation unter Einschluss der Vorstellungs- und Motivlage des Täters ankommt (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 315c, Rn 14a). Es darf mithin nicht, was immer wieder vorkommt, der automatische Rückschluss gezogen werden, dass jemand, dem ein grober Fahrfehler unterläuft, stets auch rücksichtlos i.S.d. § 315c StGB handelt. Ein Augenblicksversagen oder eine bloß vorübergehende Gedankenlosigkeit genügen für sich alleine ebenso wenig für die Annahme rücksichtslosen Verhaltens wie eine Verkennung der Verkehrssituation oder eine falsche Einschätzung der Straßenverhältnisse.

Weitere Strafbarkeitsvoraussetzung ist eine (bei tatsächlichem Schadenseintritt immer zu bejahende) konkrete Gefahr für Leib und Leben einer anderen Person oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert. Die Wertgrenze liegt hier bei 750 EUR (Fischer, a.a.O., § 315c, Rn 15).

 

Hinweis:

Auch an dieser Stelle wird in der Praxis manches Mal "zu kurz gesprungen" und aus dem verkehrswidrigen Verhalten unmittelbar eine Gefahrenlage abgeleitet. Eine bloß abstrakte, jedem Verkehrsverstoß innewohnende Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer oder Sachwerte genügt aber gerade nicht. Ebenso wenig ist die Feststellung ausreichend, der Schadenseintritt sei wahrscheinlicher als sein Ausbleiben.

Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des BGH vielmehr ein sog. Beinahe-Unfall, mithin eine Situation, in der es bei Würdigung der Einzelfallumstände im Rahmen einer objektiven nachträglichen Prognose rückblickend "gerade noch einmal gutgegangen" ist und in der es nur noch vom Zufall abhing, ob es zu einer Rechtsgutverletzung kommt oder nicht (BGH NStZ 2010, 572). Ist die Situation dagegen beherrschbar geblieben, liegt eine konkrete Gefahr i.S.d. § 315c StGB nicht vor.

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