Wird dem Verletzten nach den §§ 397a und 406g Abs. 3 und 4 StPO ein Rechtsanwalt beigeordnet, ist dem Angeklagten gem. § 140 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 StPO ein Pflichtverteidiger beizuordnen.

Die Fähigkeit des Angeklagten, sich selbst zu verteidigen, kann aber auch dann erheblich eingeschränkt sein, wenn der Verletzte sich auf eigene Kosten eines Rechtsanwalts als Beistand bedient (OLG Stuttgart StV 2009, 12). Im Falle einer anwaltlichen Vertretung nur des Verletzten wird das Prinzip der Waffengleichheit unabhängig von der – für den Angeklagten nebensächlichen – Frage, ob der Beistand des Verletzten aufgrund gerichtlicher Beiordnung oder aufgrund Anwaltsvertrags tätig wird, nahezu immer beeinträchtigt sein, da sich der Angeklagte in beiden Fällen einem Verletzten gegenübersieht, der sich des fachkundigen Rats eines Rechtsanwalts bedient. Eine Differenzierung danach, auf welcher Grundlage der Verletztenbeistand tätig wird, erscheint daher nicht sachgerecht.

Es ist vielmehr mit Blick auf den rechtsstaatlichen Grundsatz des fairen Verfahrens und der Waffengleichheit geboten, auch dann einen Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn der anwaltliche Vertreter des Verletzten nicht aufgrund gerichtlicher Bestellung tätig wird, sondern vom Verletzten selbst gewählt wurde (SSW-StPO/Beulke, § 140 Rn. 33 m.w.N.). Von diesem Grundsatz wird nur in Ausnahmefällen abgewichen werden können, etwa bei rechtlich wie tatsächlich sehr einfach gelagerten Sachverhalten (a.A. KG Berlin StRR 2012, 260, das einen solchen Grundsatz nicht anerkennt und stattdessen eine Einzelfallprüfung der Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten verlangt).

 

Hinweis:

Im Privatklageverfahren gibt der Umstand, dass der Privatkläger anwaltlich vertreten ist, dem Angeklagten keinen Anspruch auf Beiordnung (BVerfG NJW 1983, 1599; a.A. SSW-StPO/Beulke, § 140 Rn. 47).

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