Der EuGH hatte auf Vorlage des BGH (I ZR 186/17) über die Frage zu entscheiden gehabt, ob Verbraucherschutzverbände befugt sind, Verstöße gegen die DSGVO geltend zu machen (Urt. v. 28.4.2022 – C-319/20). Er hatte sich hierbei ausführlich mit den Regelungen der Art. 80, 84 DSGVO beschäftigt und nachfolgend entschieden, dass Art. 80 Abs. 2 DSGVO dem nicht entgegenstehe, dass ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erhebe, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen könne.

Im Nachgang hatte der BGH über den Vorgang erneut mündlich verhandelt. Hiernach hat er das Verfahren erneut ausgesetzt und dem EuGH mit Beschl. v. 10.11.2022 – I ZR 186/17 – folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Zitat

„Wird eine Rechtsverletzung infolge einer Verarbeitung‘ im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO geltend gemacht, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger der personenbezogenen Daten nicht erfüllt worden seien?”

Diese – erneute – Vorlage an den EuGH resultiert nach Ansicht des BGH aus den folgenden Umständen: Der Senat war in seinem ersten Vorlagebeschluss vom 28.5.2020 davon ausgegangen, dass sich eine nach deutschem Recht gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UKlaG bestehende Klagebefugnis eines Verbandes den die Rechtsbehelfe, die Haftung und Sanktionen regelnden Bestimmungen des Kapitels 8 der DSGVO, insb. Art. 80 Abs. 1 und 2 DSGVO oder Art. 84 Abs. 1 DSGVO, nicht entnehmen lasse. Er hatte daher in seinem ersten Vorabentscheidungsersuchen die Frage vorgelegt, ob die DSGVO in Bezug auf die Klagebefugnis eine abschließende Regelung treffe, die der Anwendbarkeit der §§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG entgegenstehe. Nach Ansicht des BGH hat der EuGH diese Frage nicht beantwortet, sondern entschieden, dass sich die Klagebefugnis des Klägers aus Art. 80 Abs. 2 DSGVO ergebe. Nach Ansicht des BGH besteht die in Art. 80 Abs. 2 DSGVO den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, ein Verfahren einer Verbandsklage gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten vorzusehen, jedoch nur in der Konstellation, dass der klagende Verband geltend macht, die Rechte einer betroffenen Person gemäß DSGVO seien „infolge einer Verarbeitung” verletzt worden. Aus Sicht des BGH bedarf es daher einer Klarstellung, ob die Voraussetzungen „infolge einer Verarbeitung” erfüllt sind, wenn – wie im Streitfall – die sich aus Art. 12 Abs. 1 S. 1, Art. 13 Abs. 1 lit. c und e DSGVO ergebenden Informationspflichten verletzt werden. Diese – notwendige – Klarstellung müsse durch den EuGH in dem weiteren Vorabentscheidungsverfahren erfolgen.

Das weitere Vorabentscheidungsersuchen vom 10.11.2022, das bei dem EuGH unter dem Az. C-757/22 geführt wird, belegt die „Komplexität” des „Zusammenwirkens” von DSGVO einerseits und den nationalen Regelungen des § 8 UWG und § 3 UKlaG andererseits. Ob und – wenn bejahend – unter welchen Voraussetzungen Verbraucherschutzverbänden damit bei Vorliegen von Datenschutzverstößen eine Klagebefugnis zusteht, ist noch nicht entschieden. Die Verf. werden das weitere Verfahren beobachten und berichten.

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