Ein Händler vertrieb sowohl über sein Ladenlokal (stationär) als auch online Fahrräder und Zubehör. In seinem Online-Shop warb er über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten, auch gegenüber Verbrauchern, mit einem durchgestrichenen früheren Preis, um dem Kunden zu zeigen, dass der Kaufpreis sich inzwischen reduziert hatte. Der ursprüngliche Preis bezog sich jedoch nur auf die Zahlen aus seinem stationären Handel. Dies beanstandete eine aktivlegitimierte Institution als irreführend. Da auf eine Abmahnung hin keine Unterwerfung erfolgte, kam es zur Unterlassungsklage gegen den Händler. Das LG Bielefeld (Urt. v. 6.10.2020 – 15 O 9/20) verurteilte den Beklagten antragsgemäß. Es sah die beanstandete Werbung des Beklagten mit sog. Streichpreisen in dem von ihm betriebenen Online-Shop als irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG an. Die dagegen vom Händler eingelegte Berufung beim OLG Hamm (Urt. v. 11.3.2021 – 4 U 173/20) blieb erfolglos. Das Berufungsurteil enthält interessante Aussagen dazu, was unter dem "zuletzt geforderten Preis" im konkreten Fall zu verstehen ist. Wie lange der Zeitraum zurückliegen darf, in dem der höhere, zur Preisgegenüberstellung verwendete Preis gegolten hat, richte sich nach der Verkehrsauffassung, wobei – wie stets – auf einen durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und durchschnittlich verständigen Verbraucher abzustellen sei. Maßgebend seien die jeweiligen Umstände des Einzelfalls. Bei Nahrungs- und Genussmitteln sowie Verbrauchsgütern werde die Zeitspanne regelmäßig kürzer (vier bis zehn Wochen) als bei anderen Waren oder Leistungen zu bemessen sein. Auch könne es eine Rolle spielen, ob in einer Zeitungsanzeige, einem Prospekt oder einem Katalog geworben werde, weil der Verkehr in der Zeitungsanzeige eine aktuellere Information erwarte, während ein Katalog für eine längere Verwendungszeit aufgelegt werde. Gemessen hieran habe das LG mit der zutreffenden Erwägung, dass es sich bei Fahrrädern einerseits um langlebige und durchaus hochpreisige Wirtschaftsgüter handelt, der Verbraucher andererseits aber insb. bei Online-Werbung laufend aktuelle Informationen erwartet, einen Zeitraum von – nach Auffassung des Senats vergleichsweise großzügig bemessenen – sechs Monaten als vertretbar angesehen. Nicht zu beanstanden sei im konkreten Fall, dass das LG denjenigen Zeitraum, für den der ursprüngliche Preis ernsthaft verlangt worden sein muss, mit mind. zwei Monaten bemessen hat (vgl. § 5 Abs. 4 S. 1 UWG). Naheliegend erscheine dabei, dass die ursprünglichen Preise typischerweise zu Beginn der "Fahrradsaison" im Frühjahr gelten und spätestens mit Einsetzen der kühleren Jahreszeit, durchaus aber auch schon im Sommer herabgesetzt werden, um Auslaufmodelle noch zu angemessenen Preisen zu veräußern, gleichzeitig aber bereits Lagerkapazitäten für neue Modelle zu schaffen.

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