Über Besonderheiten beim Schutz in der gesetzlichen Unfallversicherung, die sich bei Unfällen von Arbeitnehmern ergeben, die auf einem in ihrer Wohnung eingerichteten Arbeitsplatz tätig werden, haben wir zuletzt in ZAP F. 17 R, 922 berichtet.

In zwei aktuellen Urteilen vom 27.11.2018 (B 2 U 8/17 R u. B 2 U 28/17 R, s. auch ZAP F. 18, 1.642 f.) hat das BSG Versicherungsschutz bei solchen Gegebenheiten für möglich gehalten bzw. bejaht:

  1. In dem zuerst angegebenen Urteil (B 2 U 8/17 R) befanden sich die Geschäftsräume des Maklerbüros eines Hauses, in dessen 5. OG der Kläger (geschäftsführender Gesellschafter einer Unternehmerin, die dieses Maklerbürobetrieb) wohnte, im 1. OG. Im Keller des Hauses war neben dem Archiv auch der Server untergebracht. Am Unfalltag führte der Kläger nachts ein Software-Update aus. Um dieses zu überwachen, musste er mehrfach zwischen dem PC in seinem Büro im 1. OG und dem Keller hin und her gehen. Er stürzte hierbei auf der Treppe. Das BSG hält es grundsätzlich für möglich, dass es sich um einen versicherten Arbeitsunfall gehandelt hat, obwohl der Kläger sein Wohnhaus nicht verlassen hatte. Der Rechtsstreit wurde zur weiteren Klärung des Sachverhalts zurückverwiesen.
  2. In dem zweiten der angegebenen Urteile (B 2 U 28/17 R) übte die Klägerin als Arbeitnehmerin ihre Arbeit überwiegend von einem häuslichen Arbeitsplatz aus, der sich im Kellergeschoss ihres Wohnhauses befindet. Am Unfalltag besuchte sie eine Messeveranstaltung und wurde von einer anderen Mitarbeiterin ihres Arbeitgebers telefonisch aufgefordert, am späteren Nachmittag den Geschäftsführer anzurufen. Sie fuhr zu ihrem Haus zurück und wollte von dort das Telefonat führen. Sie stürzte hierbei auf der in den Keller führenden Treppe. Das BSG hat die Revision der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des LSG stattgegeben. Der Weg vom Messegelände zum häuslichen Arbeitsplatz war ein nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherter Betriebsweg, der nicht bereits mit dem Durchschreiten der Außenhaustür des Wohnhauses sein Ende gefunden hatte.
 

Hinweise:

Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen. Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen, sind versichert nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII und unterscheiden sich von den Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen. Zwar ist sowohl bei diesen Wegen (versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, Wegeunfall) als auch bei einem direkt von der Wohnung aus angetretenen Betriebsweg grundsätzlich das Durchschreiten der Außenhaustür des Wohnhauses die entscheidende Grenzziehung zu einer nicht versicherten Tätigkeit. Dies gilt aber nicht, wenn sich Wohnung und Arbeitsstätte des Versicherten im selben Haus befinden.

Kein Versicherungsschutz soll hingegen bestehen bei einem Unfall auf dem Rückweg vom Kindergarten – wohin die im Home-Office Tätige ihr Kind verbracht hat – zur Wohnung (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 26.9.18 – L 16 U 26/16, hierzu Schlaeger jurisPR-SozR 24/2018 Anm. 2.; weiter zu Fragen des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes im Home-Office s. Müller NZS 2019, 177).

Autoren: Von Richter am Arbeitsgericht Wolfgang Gundel, Freiburg, und Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und für Sozialrecht Dr. Ulrich Sartorius, Breisach

ZAP F. 17 R, S. 621–640

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