Das Problem, dass der Pflichtverteidiger den Beschuldigten darauf hinweisen muss, er sei zur Verteidigung auch dann verpflichtet, wenn ihm der Beschuldigte keinerlei Vergütung und erst Recht keine über der gesetzlichen Vergütung vereinbarte Vergütung zu zahlen hat, ist nicht neu. Diese Frage wurde bisher unter dem Gesichtspunkt der „Freiwilligkeit bei Abschluss der Vergütungsvereinbarung” behandelt (so BGH – III. Zivilsenat – AnwBl. 1980, 465; s. hierzu auch Krämer/Mauer/Kilian, Vergütungsvereinbarung und -management, 2005, Rn 524; Winkler, in: Hinne/Klees/Müllerschön, Vereinbarungen mit Mandanten, 4. Aufl., Rn 460; s. auch OLG Karlsruhe RVGreport 2016, 174 [Burhoff]). Der IX. Zivilsenat des BGH hat diese Rechtsprechung nunmehr aufgegeben und eine entsprechende Hinweispflicht des Pflichtverteidigers aus dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung hergeleitet.

Mit dieser Änderung der Rechtsprechung ist der Mandant m.E. schlechter gestellt als bisher. Die Auffassung des III. Zivilsenat des BGH (AnwBl. 1980, 465) hatte zur Folge, dass eine Vergütungsvereinbarung zwischen einem Pflichtverteidiger und dem Beschuldigten unwirksam war, wenn der Mandant keine Kenntnis davon hatte, dass der Pflichtverteidiger auch ohne Zahlung einer Vergütung seitens des Beschuldigten/Mandanten zur Führung der Verteidigung kraft Gesetzes verpflichtet ist. Lag die damit zusammenhängende Freiwilligkeit des Vertragsschlusses nicht vor, konnte der Beschuldigte die auf die Vergütungsvereinbarung gezahlten Beträge ohne Weiteres von dem Pflichtverteidiger zurückfordern. Die Auffassung des IX. Zivilsenat des BGH hat nunmehr zur Folge, dass die Vergütungsvereinbarung auch bei einem Verstoß des Pflichtverteidigers gegen entsprechende Hinweispflichten wirksam bleibt. Nunmehr muss der Beschuldigte im Einzelnen darlegen und im Streitfall beweisen, wie er sich bei der gebotenen vollständigen Aufklärung des Anwalts verhalten hätte und welcher Schaden ihm hier durch die Pflichtverletzung des Pflichtverteidigers entstanden ist. Der Beschuldigte hat somit nach der neuen Rechtsprechung des IX. Zivilsenat des BGH viel mehr an Tatsachen vorzutragen und im Streitfall zu beweisen, als nach der bisherigen Rechtslage.

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