Der Pflichtverteidiger ist nach § 141 Abs. 3 S. 4 StPO "unverzüglich" zu bestellen. Das bedeutet nach der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB grundsätzlich, dass der Pflichtverteidiger "ohne schuldhaftes Zögern" beigeordnet werden muss (vgl. dazu Heydenreich StraFo 2011, 263, 264; D. Herrmann StraFo 2011, 133, 136 f.; Jahn, a.a.O., S. 275, 288; ders. StraFo 2014, 177, 182, 184; Lammer AnwBl. 2013, 325). Entscheidend für die Unverzüglichkeit ist nicht die objektive, sondern die subjektive Zumutbarkeit des alsbaldigen Handelns für das zuständige Gericht. Nicht erforderlich ist, dass die Bestellung sofort vorgenommen wird (s.a. BT-Drucks 16/13097, S. 28; OLG Düsseldorf StV 2010, 350 = StRR 2010, 222 m. Anm. Burhoff; LG Stendal StV 2015, 543; vgl. auch noch Heydenreich StraFo 2011, 263, 267 ["Verteidiger der ersten Stunde"]; Jahn StraFo 2014, 177, 184). Vielmehr ist dem Gericht nach der Verkündung des Haftbefehls – soweit dieser nicht gleichzeitig außer Vollzug gesetzt wird – "ein gewisser zeitlicher Spielraum bis zur Bestellung zugebilligt" worden (BT-Drucks 16/13097, S. 28; Jahn a.a.O.: LG Stendal a.a.O.). Dies dürfte auch im Interesse des Beschuldigten liegen. Denn nicht immer wird ein von dem Beschuldigten gewünschter (§ 142 Abs. 2 S. 1 StPO) Verteidiger unmittelbar erreichbar und auch bereit bzw. in der Lage sein, die Verteidigung zu übernehmen. Das gilt insbesondere bei Verkündung des Haftbefehls am Wochenende (vgl. dazu Salinksi StV 2008, 500). In den Fällen nützt es dem Beschuldigten wenig, wenn ihm ein "bereiter Verteidiger" vom Gericht beigeordnet/aufgezwungen wird und er später, wenn er den "Verteidiger des Vertrauens" gefunden hat, um die Entpflichtung des zunächst beigeordneten Rechtsanwalts kämpfen muss (D. Herrmann StraFo 2011, 133, 137; vgl. zur Frage der Entpflichtung beim "voreilig" bestellten Pflichtverteidiger unten VI.).

Das zuständige Gericht darf aber mit der Beiordnung des Pflichtverteidigers nicht beliebig lange warten (vgl. z.B. LG Frankfurt/M. StV 2013, 19 [Ls.]). § 121 Abs. 1 S. 1 BGB verbietet "schuldhaftes Zögern" (Heydenreich StraFo 2011, 263, 264; Wohlers StV 2010, 151, 153). Das bedeutet m.E., dass das Gericht verpflichtet ist, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um baldmöglichst einen Pflichtverteidiger beiordnen zu können. Gegebenenfalls wird sich also der Richter mit dem vom Beschuldigten benannten (§ 142 Abs. 1 S. 1 StPO) Rechtsanwalt telefonisch in Verbindung setzen müssen, um auf diese Weise schnell zu klären, ob dieser Willens und in der Lage ist, die Verteidigung des Beschuldigten zu übernehmen. Auch wird er ggf. auf vorliegende Listen der Anwaltskammer oder von Anwaltsvereinen zurückgreifen (müssen) (Jahn StraFo 2014, 177, 182, 186 ff.; a.A. Wenske NStZ 2010, 479, 483). Sinn und Zweck der Vorschrift, die den Schutz des inhaftierten Beschuldigten bezweckt, gebietet es m.E. zudem, dass dem Beschuldigten nach Möglichkeit der Anwalt seines Vertrauens beizuordnen ist (zum Verfahren und zur [Benennungs-]Frist s. III.).

 

Hinweis:

Geschieht das nicht, hat der Beschuldigte später das Recht die Entpflichtung des "voreilig bestellten Pflichtverteidigers" bzw. die Auswechselung zu verlangen (vgl. unten VI.).

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