Bei einer zur Tageszeit durchgeführten Messung durch Nachfahren muss dem Urteil zu entnehmen sein, wie lang die Messstrecke und wie groß der gleichbleibende Abstand zwischen dem vorausfahrenden Betroffenen und dem nachfahrenden Messfahrzeug waren, außerdem ob der verwendete Tachometer binnen Jahresfrist justiert/geeicht war (u.a. BayObLG NZV 1994, 448; OLG Celle VA 2005, 215; OLG Hamm NZV 1995, 199 [s.o.]; DAR 1998, 75; OLG Köln DAR 1994, 248; NZV 1994, 77; OLG Naumburg VRS 94, 298; wegen der Einzelheiten s. i.Ü. Burhoff/Burhoff, OWi, Rn. 2334 ff.). Die Angabe nur einer Größe, etwa der Geschwindigkeit des Messfahrzeugs allein, ist nicht ausreichend (OLG Hamm VRS 58, 54).

Im Einzelnen gilt: Die Messstrecke muss möglichst gerade und ausreichend lang sein. Dazu fordert die obergerichtliche Rechtsprechung folgende von der Geschwindigkeit abhängige Mindestlängen (s.a. Burhoff/Burhoff, OWi, Rn. 2345):

  • bei 50 bis 70 km/h: 300 bis 400 m (OLG Braunschweig DAR 1989, 110; OLG Hamburg DAR 1977, 52),
  • bei 71 bis 90 km/h: 400 bis 600 m (KG VRS 39, 28; OLG Celle VRS 25, 150; OLG Hamm DAR 1969, 221; OLG Karlsruhe VRS 49, 145; OLG Saarbrücken zfs 1982, 189),
  • bei 91 bis 120 km/h: nicht unter 500 m (OLG Bamberg DAR 2006, 517; OLG Braunschweig DAR 1989, 110; OLG Düsseldorf DAR 1993, 361; OLG Hamburg DAR 1977, 52; OLG Hamm VRS 50, 70; OLG Jena VRR 2006, 353 = VA 2006, 182; OLG Karlsruhe VRS 56, 56),
  • bei über 120 km/h: 1.000 m (OLG Düsseldorf a.a.O.).
 

Hinweis:

Die Messstrecke darf kürzer sein, wenn ein sehr geringer Verfolgungsabstand eingehalten (KG VRS 59, 386; s.a. OLG Frankfurt NStZ-RR 1997, 215) oder das verfolgte Fahrzeug so stark beschleunigt wird, dass das Polizeifahrzeug nicht länger folgen kann (OLG Düsseldorf NZV 1993, 80; vgl. auch noch OLG Bamberg DAR 2010, 278).

Der (Verfolgungs-)Abstand des nachfahrenden (Polizei-)Fahrzeugs soll möglichst kurz und gleichbleibend lang sein. Auch hierzu hat die Rechtsprechung Mindestabstände entwickelt:

  • bei 40 bis 60 km/h: maximal 30 m (KG VRS 31, 71),
  • bei 61 bis 90 km/h: maximal 50 m (KG VRS 33, 65; OLG Braunschweig DAR 1989, 110; OLG Saarbrücken zfs 1982, 189),
  • bei 91 bis 120 km/h: maximal 100 m (OLG Braunschweig a.a.O.; OLG Düsseldorf NZV 1990, 318; OLG Hamm VRS 50, 70; OLG Koblenz DAR 1990, 390; OLG Stuttgart VRS 108, 223 = VA 2005, 69).

Teilweise berechnet die Rechtsprechung den Verfolgungsabstand zwischen dem Messfahrzeug und dem zu messenden Fahrzeug aber auch nach dem halben Tacho-Abstand, der nicht überschritten werden darf (OLG Düsseldorf DAR 1998, 137). Ist die Messstrecke länger, darf der Verfolgungsabstand ggf. auch größer sein (OLG Stuttgart VRS 66, 467). So ist bei einer Messstrecke von 1.000 m ein Verfolgungsabstand von 200 m als nicht zu groß angesehen worden, wenn sich dieser Abstand bei der vom messenden Polizeifahrzeug eingehaltenen gleichbleibenden Geschwindigkeit sogar noch vergrößert (OLG Düsseldorf NZV 1993, 280). Auch ein Verfolgungsabstand von 150 m ist bei einer Messstrecke von 900 m als nicht zu groß angesehen worden (OLG Düsseldorf VRS 85, 302; s. i.Ü. Burhoff/Burhoff OWi, Rn. 2348 m.w.N.).

Die Rechtsprechung verlangt zum Ausgleich von Messungenauigkeiten und sonstigen Fehlerquellen einen Toleranzabzug von der ermittelten Geschwindigkeit. In welcher Höhe dieser zu machen ist, hängt davon, ob der Tachometer des Polizeifahrzeugs noch gültig geeicht oder nur justiert ist. Ein pauschaler Abzug, ohne hierzu entsprechende Feststellungen zu treffen, ist unzulässig (BayObLG VRS 61, 143). Die Obergerichte entscheiden die Frage des Toleranzabzugs nicht einheitlich. Es lassen sich in etwa folgende Richtwerte festhalten:

War der Tachometer nicht geeicht und nicht justiert, dürften 20 % des Ablesewertes abzuziehen sein (OLG Celle NZV 2004, 419 = VA 2004, 155; OLG Hamm DAR 1981, 364; Beschl. v. 7.2.2013 – III-1 RBs 5/13; OLG Jena VRS 117, 348; OLG Schleswig SchlHA 2006, 295; s. aber auch OLG Köln DAR 2008, 654 [7 % des Skalenendwertes und 12 % der abgelesenen Geschwindigkeit]).

Ist der Tachometer justiert bzw. gültig geeicht, so können/sollen mindestens 10 % (OLG Düsseldorf VM 1974, 87; OLG Hamm VRS 63, 68) abgezogen werden. Es ist aber auch schon ein höherer Abzug von 13,5 % (OLG Hamm NZV 1989, 35) oder 15 % (OLG Hamm NZV 1995, 199; VRS 102, 302) bzw. bei einer Messung innerorts unter besonderen Umständen ein Abschlag von 17 % gemacht und anerkannt worden (OLG Hamm NZV 1995, 456 [Ls.] = VRS 90, 144). Teilweise werden aber auch noch höhere Sicherheitsabschläge gefordert (vgl. OLG Celle NZV 2004, 419 = VA 2004, 155; s.a. OLG Celle, Beschl. v. 25.8.2005 – 222 Ss 196/05 (OWi) – mindestens 20 %. Wegen der Einzelheiten zum Toleranzabzug in diesen Fällen wird i.Ü. verwiesen auf Burhoff/Burhoff, OWi, Rn. 2349 ff.).

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