Neben der Gewährung internationalen Schutzes i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG „aus eigenem Recht” wegen dem Ausländer im Herkunftsland selbst drohender Gefahren sieht § 26 Abs. 5 S. 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG die Zuerkennung des von einem schutzberechtigten Familienangehörigen abgeleiteten internationalen Familienschutzes vor. Wurde einem Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat der EU internationaler Schutz zuerkannt und stellt er in der Bundesrepublik einen Asylantrag i.S.d. § 13 Abs. 1 AsylG, ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG eine materielle Prüfung der Verfolgungsgründe und Gewährung internationalen Schutzes „aus eigenem Recht” grds. (vgl. zur Ausnahme BVerwG, Urt. v. 17.6.2020, InfAuslR 2020, 402 ff.) ausgeschlossen. Nach dem Urt. des BVerwG vom 17.11.2020 (1 C 8.19, zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen) hindert § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aber nicht die Zuerkennung des von einem schutzberechtigten Familienangehörigen abgeleiteten internationalen Familienschutzes nach § 26 Abs. 5 S. 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG. Das BVerwG leitet seine Auffassung insb. aus der historisch-genetischen und teleologischen Auslegung beider Vorschriften her. Das Asylgesetz enthalte auch keine das Verhältnis des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und des § 26 Abs. 5 S. 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG ausdrücklich regelnde Kollisionsnorm, insb. scheide ein Rückgriff auf § 31 Abs. 4 AsylG aus. Die statusrechtliche Begünstigung des bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union schutzberechtigten Familienangehörigen stehe zudem im Einklang mit Art. 3 RL 2011/95/EU.

ZAP F. 19 R, S. 515–522

Von Richter am Verwaltungsgericht Dr. Johann Lier, VG Gelsenkirchen

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