Inzwischen ist das vierte Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung am 1.1.2016, durch das die berufsrechtliche Stellung der Syndikusrechtsanwälte in den §§ 46 ff. BRAO neu geregelt wurde, zu Ende gegangen (vgl. zur anstehenden Evaluation des Gesetzes Freundorfer AnwBl Online 2019, 646 sowie zur Frage, ob Regelungsbedarf bei der rückwirkenden Befreiung von Syndikusrechtsanwälten von der Rentenversicherungspflicht besteht, BT-Drucks 19/13808 sowie Anwaltsmagazin ZAP 2019, 1215). Auch in diesem Jahr wurden viele Fragen, die die Reform aufgeworfen hat, höchstrichterlich geklärt (vgl. auch den neuen Überblicksbeitrag von Kilian DStR 2019, 1094 sowie zuvor bereits Wallner BRAK-Mitt. 2019, 58 und Posegga DStR 2018, 1372).

a) Anwaltliche Prägung

Nach § 46 Abs. 3 BRAO setzt die Zulassung eines Unternehmensjuristen zur Syndikusrechtsanwaltschaft voraus, dass das Arbeitsverhältnis durch fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübende anwaltliche Tätigkeiten geprägt ist. Der Anwaltssenat hat diese gesetzliche Vorgabe nun insoweit präzisiert, als es für die anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses entscheidend darauf ankommen soll, dass die anwaltliche Tätigkeit den Kern oder Schwerpunkt der Tätigkeit darstellt, mithin dass das Arbeitsverhältnis durch die anwaltliche Tätigkeit beherrscht wird (Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ [Brfg] 63/17, ZAP EN-Nr. 744/2019; s. auch Anwaltsmagazin ZAP 2019, 1278 f.). Dabei soll ein Anteil von 65 % anwaltlicher Tätigkeit am unteren Rand des für eine anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses Erforderlichen liegen. Bemerkenswert ist auch die Feststellung des Senats, dass die Darlegung der quantitativen Prägung des Arbeitsverhältnisses grds. genüge. Da anwaltliche Tätigkeit grds. keine geringwertige Tätigkeit darstelle, könne für die qualitative Prägung regelmäßig keine andere Beurteilung gelten. In einer anderen Entscheidung hat der Senat "mindestens 60 %, zeitweise eher 70 %" anwaltliche Tätigkeit als ausreichend erachtet (BGH, Urt. v. 14.1.2019 – AnwZ [Brfg] 25/18 m. Anm. Freundorfer NJW 2019, 930; vgl. auch BGH, Beschl. v. 14.1.2019 – AnwZ [Brfg] 29/17). Später hat er diese Ausführungen noch dahingehend präzisiert, dass 67 % anwaltliche Tätigkeit genüge (BGH, Beschl. v. 27.2.2019 – AnwZ [Brfg] 36/17). Damit dürfte eine lediglich knapp einen Umfang von 50 % übersteigende anwaltliche Tätigkeit (vgl. insoweit Temming/Dalmer AnwBl Online 2018, 916) für eine Zulassung nicht genügen.

b) Fachliche Unabhängigkeit

Darüber hinaus hatte sich der Anwaltssenat auch wiederum mit dem Kriterium der fachlichen Unabhängigkeit zu beschäftigen. Nach § 46 Abs. 4 S. 1 BRAO übt eine fachlich unabhängige Tätigkeit gem. § 46 Abs. 3 BRAO nicht aus, wer sich an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Dem steht nicht entgegen, wenn ein Syndikusrechtsanwalt Vorlagen zur rechtlichen Prüfung zu erstellen hat, von denen der Arbeitgeber nach eigener Entscheidung abweichen kann (BGH, Beschl. v. 26.6.2019 – AnwZ [Brfg] 29/19). Unschädlich soll es zudem jedenfalls sein, wenn die Entscheidungsbefugnis des Antragstellers bei einem Teil seiner anwaltlichen Tätigkeit (20–30 %), durch ein Weisungsrecht eingeschränkt ist (BGH, Beschl. v. 14.1.2019 – AnwZ [Brfg] 29/17). Eine die Syndikuszulassung verhindernde Weisungsunterworfenheit kann sich – wie der Anwaltssenat bereits zuvor festgestellt hat – insb. aus innerbetrieblichen Vorschriften ergeben. Unternehmensinterne reine Compliance-Vorschriften ohne fachlichen Bezug spielen insofern aber keine Rolle (BGH, Beschl. v. 26.6.2019 – AnwZ [Brfg] 29/19; Beschl. v. 29.1.2019 – AnwZ [Brfg] 16/18). Auch die Tatsache, dass die fachliche Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit faktisch durch die Möglichkeit der – missbräuchlichen – Versetzung oder der Drohung mit ihr eingeschränkt sein könne, schließt die Zulassung nicht aus (BGH, Beschl. v. 26.6.2019 – AnwZ [Brfg] 29/19).

c) Keine Vertretungsbefugnis erforderlich

In seinem hier bereits angesprochenen Urt. v. 30.9.2019 ist der Anwaltssenat auch darauf eingegangen, was unter der für die Syndikuszulassung gem. § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO erforderlichen Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten, zu verstehen ist. Bereits zum Jahresanfang hatte der Anwaltssenat entschieden, dass zur Erfüllung des Merkmals das Vorliegen einer Alleinvertretungsbefugnis nicht zu fordern sei (Urt. v. 14.1.2019 – AnwZ [Brfg] 25/18 m. Anm. Freundorfer NJW 2019, 930; Beschl. v. 14.1.2019 – AnwZ [Brfg] 29/17; BGH, Beschl. v. 27.2.2019 – AnwZ [Brfg] 36/17). Nunmehr hat er ergänzend ausgeführt, dass die Syndikuszulassung auch eine Gesamtvertretungsbefugnis nicht zwingend voraussetze (Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ [Brfg] 63/17). Die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten, könne sich im Einzelfall auch bereits aus der selbstständigen Führung von Verhandlungen im Außenverhältnis oder der wesentlichen Teilhabe an Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen im Innenverhältnis ergeben. Dieses...

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