Der BGH hat sich erneut mit den Grenzen der grundgesetzlich geschützten anwaltlichen Werbefreiheit befassen müssen. Im Streitfall hatte sich ein Anwalt und Diplomingenieur, dem die Erlaubnis verliehen war, Fachanwaltsbezeichnungen im Arbeitsrecht und gewerblichen Rechtsschutz zu führen, und der in seiner Kanzlei zwei Fachanwälte für gewerblichen Rechtsschutz beschäftigte, in einem Branchenverzeichnis unter "Patentanwälte in O." eintragen lassen. Weder der Anwalt noch die angestellten Berufsträger sind zugelassene Patentanwälte. Der Anwaltssenat (Beschl. v. 25.4.2019 – AnwZ [Brfg] 57/18) hat dies als nicht mehr berufsrechtskonform angesehen. Aus dem Sachlichkeitsgebot folge für die Rechtsanwaltschaft, dass sie nicht sämtliche Werbemethoden verwenden dürfe, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. bereits BGH, Urt. v. 27.10.2014 – AnwZ [Brfg] 67/13); jedenfalls sei aber eine Werbung, die gegen § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG verstoße, nicht nur wettbewerbs-, sondern auch berufsrechtswidrig. Nach Auffassung des Senats ist der Brancheneintrag als irreführende Werbung, die geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise Fehlvorstellungen hervorzurufen und so die Entschließung der Rechtsuchenden im Wettbewerb in rechtlich relevanter Weise zu beeinflussen, anzusehen. Denn eine anwaltliche Selbsteinschätzung dürfe nicht den Eindruck erwecken, eine Qualifikation sei durch ein förmliches Verfahren erworben oder werde durch eine dritte Stelle gebilligt. Mit der Schaltung der Anzeige werde aber aus Sicht eines Rechtsuchenden der Eindruck erweckt, dass der Anwalt selbst oder zumindest ein in seiner Kanzlei beschäftigter Berufsträger Patentanwalt sei. Insoweit sei entscheidend, dass nach § 18 Abs. 4 PAO die Berufsbezeichnung "Patentanwalt" nur nach der Zulassung geführt werden dürfe. Eine Irreführung sei auch nicht deshalb zu verneinen, weil Anwälte grds. berechtigt seien, Rechtsuchende in den Angelegenheiten zu vertreten, in denen Patentanwälte tätig sind. Wer nach einem Patentanwalt suche, erwarte speziell dessen Qualifikation. Diese unterscheide sich von einem normalen Rechtsanwalt erheblich, weil Voraussetzung für den Erwerb der Zulassung als Patentanwalt neben der rechtlichen Befähigung die technische Befähigung nach § 6 PAO sei.

Auch wenn der Anwaltssenat dies in Abrede stellt (Rn 25 ff.), steht seine Entscheidung in Konflikt mit einem Judikat des für das Wettbewerbsrecht zuständigen und als liberaler geltenden I. Zivilsenats (Urt. v. 18.10.2012 – I ZR 137/11). Dieser hatte 2012 die Angabe "Steuerbüro" in der Kanzleibezeichnung eines Anwalts nicht als irreführend beanstandet, wenn dieser zu einem überwiegenden Teil seiner Berufstätigkeit Hilfeleistungen in Steuersachen erbringe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass ein Teil der an diesen Dienstleistungen interessierten Verbraucher aus der Angabe "Steuerbüro" den unrichtigen Schluss ziehen könnte, in der Kanzlei sei auch ein Steuerberater oder ein Fachanwalt für Steuerrecht tätig.

Eine liberale Auffassung hat der I. Senat auch in einem zuletzt vor dem KG Berlin geführten Verfahren vertreten. Das KG hatte einem Rechtsanwalt untersagt, im Wettbewerb als "Anwaltsforum Patientenanwälte im Geburtsschadensrecht" aufzutreten, da der beworbene Zusammenschluss über ein Vorbereitungsstadium nicht hinausgekommen sei und letztlich nur aus dem Beklagten und seinen freien Mitarbeitern bestanden habe (Urt. v. 24.8.2018 – 5 U 134/17). Allerdings hatte der Beklagte im Verfahren noch andere vermeintliche Mitglieder seiner Arbeitsgemeinschaft benannt, bei denen es sich nicht um seine Mitarbeiter handelte. Hieran knüpfte die Kritik des I. Senats an (Beschl. v. 14.3.2019 – I ZR 167/18, ZAP EN-Nr. 359/2019). Für das Bestehen der Arbeitsgemeinschaft sei nicht der Beklagte beweisbelastet. Die Darlegungs- und Beweislast für die Irreführung, also auch für das Nichtbestehen der Arbeitsgemeinschaft, treffe vielmehr den Kläger als Anspruchsteller. Angesichts der Benennung angeblicher Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft durch den Beklagten sei es somit Sache des Klägers gewesen zu beweisen, dass die Mitgliedschaft nicht bestand.

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