Leitsatz des Gerichts:
Führen der Täter einer Ordnungswidrigkeit und eine mit ihm zusammenwirkende, an der Tat unbeteiligte Person die Bußgeldbehörde bewusst in die Irre, indem sich die weitere Person selbst zu Unrecht der Täterschaft bezichtigt, kann dies für den Täter zu einer Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft und für die weitere Person wegen Beihilfe hierzu führen.
OLG Stuttgart, Urt. v. 23.7.2015 – 2 Ss 94/15, ZAP EN-Nr. 803/2015
Bearbeiter: RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum
I Sachverhalt
Der Angeklagte Ka wurde durch das AG wegen falscher Verdächtigung und der Angeklagte Kr wegen Beihilfe hierzu verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde der Schuldspruch bei Ka bestätigt, Kr hingegen freigesprochen. Der Angeklagte Ka beging eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Ka und sein Arbeitskollege Kr beschlossen, die Bußgeldbehörde gezielt und im Wissen um die Täterschaft des Angeklagten Ka in die Irre zu führen. Sie vereinbarten, dass sich der Angeklagte Kr zunächst gegenüber der Bußgeldbehörde als Fahrer bezeichnen und sodann das nachfolgende, den Angeklagten Kr betreffende Bußgeldverfahren so lange hinauszögern sollte, bis der Angeklagte Ka wegen des Eintritts der Verfolgungsverjährung bei ihm nicht mehr belangt werden könne. Dann sollte der Angeklagte Kr offenlegen, dass er den Verstoß doch nicht begangen habe, worauf auch das gegen ihn gerichtete Bußgeldverfahren ohne seine Verurteilung beendet werden müsse. Genauso verfuhren die Angeklagten. Das OLG hat die Revision des Ka als unbegründet verworfen und das Urteil des LG auf die Revision der Staatanwaltschaft aufgehoben, soweit Kr freigesprochen worden war.
II Entscheidung
In mittelbarer Täterschaft begangene falscher Verdächtigung
Der Angeklagte Ka sei zu Recht wegen in mittelbarer Täterschaft begangener falscher Verdächtigung gem. §§ 164 Abs. 2, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB verurteilt worden. Dem Angeklagten Ka seien die unmittelbaren Tathandlungen des Kr nach den Grundsätzen über die mittelbare Täterschaft zuzurechnen. Entscheidend komme es darauf an, ob der Hintermann die Tatherrschaft i.S.d. Herrschaft über das Ob und Wie der Tatbestandsverwirklichung, u.U. auch nur den Willen zur Tatherrschaft, sowie ein eigenes Tatinteresse hatte. Die Tatherrschaft des Hintermanns könne auch im Fall eines objektiv tatbestandslos handelnden Tatmittlers wie hier gegeben sein, denn der Angeklagte Kr sei nicht als Täter nach § 164 Abs. 2 StGB verantwortlich, weil er nicht einen anderen, sondern sich selbst bei der Behörde angezeigt hat. Der Angeklagte Ka sei im vorliegenden Fall mittelbarer Täter, weil er im Wege einer wertenden Zuschreibung Tatherrschaft und Wille zur Tatherrschaft hatte und die Tat allein in seinem Interesse begangen wurde. Er habe auf die Tatbegehung dadurch Einfluss genommen, dass er dem Angeklagten Kr die an ihn gelangten Schreiben der Bußgeldbehörde mit den Daten zur Ordnungswidrigkeit übergab, nachdem er den Tatplan mit ihm vereinbart hatte. Obwohl Kr die Schriftstücke alleine ausfüllte und an die Bußgeldbehörde übersandte, habe der Angeklagte Ka die Herrschaft über den Geschehensablauf gleichwohl weiter auch selbst in der Hand gehalten, weil er sich zu jedem Zeitpunkt an die Bußgeldbehörde wenden und den wahren Sachverhalt offenbaren konnte. Da die Tat allein seinem Interesse gedient habe, den Rechtsfolgen der von ihm begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit zu entgehen, habe er auch das Handeln des Angeklagten Kr beherrscht.
Bei wertender Betrachtung weise der vorliegende Fall Ähnlichkeit zur mittelbaren Täterschaft bei Sonderdelikten wie etwa der Untreue in § 266 Abs. 1 StGB beim Einsatz eines qualifikationslosen dolosen Werkzeugs durch den Hintermann auf.
Hinweis:
Die Grundsätze der Veranlassung zur objektiv tatbestandslosen Selbstschädigung des Geschädigten durch einen Hintermann, die regelmäßig dann straflos sind, wenn der Hintermann nicht noch aus einem darüberhinausgehenden Grund die Tatherrschaft über die vom Geschädigten vorgenommene Tathandlung ausübt, griffen hier nicht ein.
Zwar diene der Tatbestand der falschen Verdächtigung in § 164 Abs. 2 StGB auch dem Schutz des durch eine falsche Tatsachenbehauptung in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigten Angezeigten. Nach h.A. schütze die Vorschrift aber zugleich die inländische staatliche Rechtspflege vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme. Dabei reiche die Verletzung eines Schutzobjekts zur Verwirklichung des Tatbestands aus, so dass die Einwilligung des Verdächtigten in die falsche Verdächtigung die Rechtswidrigkeit der Tat nicht entfallen lasse. Der Angeklagte Kr sei damit nicht alleiniger Rechtsgutsträger, so dass die o.a. zusätzlichen Voraussetzungen für eine Verantwortlichkeit des Angeklagten Ka als mittelbarer Täter nicht gegeben sein müssen. Es sei auch ohne Bedeutung, dass Fälle der vorliegenden Art regelmäßig der Vorschrift des § 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB unterfallen, die im vorliegenden Fall aber nicht erfüllt sei, weil der Tatmittler keine rechtswidrige Tat i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB, sondern eine Ordnungswidrigkeit vo...