Leitsatz des Bearbeiters:

Das für die vorinsolvenzlich zu erbringende Entwicklung und Begleitung eines Sanierungskonzepts vereinnahmte Anwaltshonorar, welches von der Schuldnerin in Kenntnis ihrer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt erbracht wird, zu dem das anwaltlich geschuldete Sanierungskonzept in seiner Umsetzung (noch) mit tatsächlichen und rechtlichen Unwägbarkeiten behaftet war, unterliegt der vorsätzlichen Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO.

LG Frankfurt/M, Urt. v. 7.5.2015 – 2-32 O 102/13, ZAP EN-Nr. 22/2016

Bearbeiter: Rechtsanwalt Mark T. Singer, Neuss

I Einführung/Problemstellung

Anwaltliche Beratung von wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen im Vorfeld ihrer möglichen Insolvenz ist selbst für fachlich besonders qualifizierte Berufsträger nicht nur mit besonderen Haftungsrisiken verbunden, sondern beinhaltet zugleich auch stets die Gefahr, die hierfür erhaltenen Honorare aufgrund einer Insolvenzanfechtung u.U. wieder zurückzahlen zu müssen, sollte die konzipierte Restrukturierung bzw. Sanierung fehlschlagen und das Insolvenzverfahren über das Unternehmen eröffnet werden. Ursache hierfür ist stets, dass der Berater die fehlende Kenntnis über die wirtschaftliche Krise und die daraus resultierende Gläubigerbenachteiligungsabsicht des späteren Insolvenzschuldners nicht entkräften kann, wodurch seine Vergütung für die sachgerechten anwaltlichen Sanierungsdienstleistungen zugleich ihre Insolvenzfestigkeit verlieren würde, was die an sich wünschenswerten Sanierung von Unternehmen in der Praxis zunehmend erschwert (vgl. zur Kritik nur Kayser NJW 2014, 422; Mock ZIP 2014, 445 ff. m.w.N.). Dieser Befund wird durch die Entscheidung des LG Frankfurt/M. erneut eindrucksvoll bestätigt: Dort wurde eine Düsseldorfer Wirtschaftskanzlei als Sanierungsberater zur Rückzahlung der vereinnahmten Honorare von immerhin 4,5 Mio. Euro verurteilt (vgl. auch Podolski, Millionenforderung gegen Hengeler Mueller – Zu viel verlangt, in lto v. 11.6.2015).

II. Sachverhalt

Die Insolvenzschuldnerin, einstmals größter deutscher, weltweit agierender und börsennotierter Photovoltaikkonzern, der sich maßgeblich durch die Emittierung von Wandelschuldverschreibungen mit fünfjähriger Laufzeit finanzierte, beauftragte Ende 2011, nachdem die vollständige Rückzahlung der Anfang 2012 fällig werdende ersten Schuldverschreibung zu scheitern drohte, u.a. die beklagte Kanzlei mit der rechtlichen Konzeption und Betreuung eines Sanierungskonzeptes, welches im Wesentlichen eine Änderung der Anleihebedingungen vorsah. Danach sollten die Gläubiger der Wandelschuldverschreibung zunächst ihre daraus resultierenden Forderungen stunden und anschließend in Eigenkapital umwandeln, wofür es nach Ansicht der Anwälte aber neben einem mehrheitlich gefassten Änderungsbeschlusses zusätzlich noch eines weiteren qualifizierten Mehrheitsbeschluss zur – ihrer Ansicht nach möglichen – Anwendbarkeit des bereits am 5.9.2009 in Kraft getretene "neue" Schuldverschreibungsgesetz – SchVG 2009 bedürfe (vereinfachte Darstellung). Das LG Frankfurt/M. sah dies freilich anders und verneinte die Möglichkeit einer solchen Opt-in-Lösung qua Mehrheitsbeschluss (Beschl. v. 23.1.2012 – 3-5 O 142/11, ZIP 2012, 474), nachdem es zuvor bereits in anderen Verfahren mit vergleichbaren Anleihebedingungen ebenso entschieden hatte (Beschl. v. 27.10.2011 – 3-5 O 60/11, ZIP 2011, 2306; v. 15.11.2011 – 3-5 O 45/11). Als das OLG Frankfurt/M. ebendort auch die Beschwerde zurückwies (Beschl. v. 27.3.2012 – 5 AktG 3/11, ZIP 2012, 725), stellte die Insolvenzschuldnerin am 3.4.2012 den Antrag auf Insolvenzeröffnung. Der Verwalter erklärte die Anfechtung und forderte die vom 15.11.2011 bis zum 2.4.2012 vereinnahmten Honorare zurück. Der BGH hat schließlich die Zulässigkeit der von den anwaltlichen Beratern favorisierte Opt-in-Lösung in anderer Sache akzeptiert (Urt. v. 1.7.2014 – II ZR 381/13, BGHZ 202, 7 = ZIP 2014, 1876).

III Begründung

Dennoch hat das LG Frankfurt/M. den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin nach § 133 Abs. 1 InsO bejaht. Diese habe nämlich zum Fälligkeitszeitpunkt der Anleihe ihre zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit positiv gekannt. Durch das anwaltliche Sanierungskonzept sei diese Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auch nicht weggefallen. Dafür wäre nämlich Voraussetzung gewesen, dass zum Zeitpunkt der streitbefangenen Honorarzahlungen ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorgelegen hat, dass bei der Insolvenzschuldnerin die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg gerechtfertigt hätte, woran es im Streitfall aber gerade fehle. Denn die Umsetzung des Sanierungskonzeptes sei von verschiedenen erheblichen Unsicherheitsfaktoren abhängig gewesen. Diese beginnen zum einen bereits mit den Zweifeln an der rechtlichen Zulässigkeit der Opt-in-Lösung nach § 24 Abs. 2 SchVG durch die örtlichen Gerichte, maßgeblich sei nämlich eine ex-ante Betrachtung, so dass die spätere BGH-Entscheidung deshalb ohne Relevanz bliebe, und setzten sich hinsichtlich der Unsicherheiten übe...

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