Auf eine wichtige Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Zustellungsrecht hat kürzlich die Bundesrechtsanwaltskammer hingewiesen: Mit Urt. v. 15.3.2023 (VIII ZR 99/22) entschied der VIII. Senat des BGH, dass der Datumsvermerk auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zwingende Voraussetzung der Ersatzzustellung nach § 180 ZPO ist. Werde die Pflicht, das Datum zu vermerken, nicht beachtet, beginne die an die Zustellung geknüpfte Frist gem. § 189 ZPO erst mit dem tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks.

Der Fall: Die Parteien stritten um das Zustellungsdatum eines Versäumnisurteils und dementsprechend auch um die Einspruchsfrist gegen diese Entscheidung. Der Umschlag mit dem Urteil wurde zwar am 7. Oktober beim Beklagten in den Briefkasten gelegt, wie sich aus der Zustellungsurkunde ergab. Der Beklagte behauptete jedoch, es erst am 8. Oktober aus dem Briefkasten geholt zu haben. Weil auf dem Umschlag kein Datum vermerkt gewesen sei, habe er gedacht, die Frist beginne auch erst an diesem Tag. Dementsprechend reichte er den Einspruch auch erst am 22. Oktober ein. Das Amtsgericht sah den Einspruch als verfristet an.

Womöglich zu Unrecht, wie der BGH jetzt feststellte und damit auch den Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur entschied. Fehle der Datumsvermerk auf dem Umschlag, beginne die an die Zustellung geknüpfte Frist gem. § 189 ZPO erst mit dem tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks. Dies entspreche der langjährigen Rechtsprechung des BGH und daran habe sich auch trotz der Neufassung der Vorschrift nichts geändert, führt der Senat aus. Weder Wortlaut, Systematik noch der Wille des Gesetzgebers würden auf etwas anderes hindeuten. Außerdem sei diese Rechtsansicht zum Schutz des Adressaten erforderlich – für dessen Anspruch auf rechtliches Gehör. Schließlich sei an das Zustelldatum der Beginn einer wichtigen prozessualen Pflicht geknüpft. Hierüber dürfe keine Ungewissheit herrschen.

Der Fall wurde zurück ans LG verwiesen. Dieses muss nun klären, ob auf dem Umschlag das Datum der Zustellung vermerkt war oder ob dieser Vermerk tatsächlich fehlte. Für den letztgenannten Fall erteilte der BGH folgenden Hinweis: Der Kläger trage die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Beklagte das Urteil noch am 7. Oktober tatsächlich zur Kenntnis genommen habe. Es reiche hingegen nicht, nur zu bestreiten, dass der Beklagte es erst am 8. Oktober aus dem Briefkasten genommen habe.

[Quellen: BGH/BRAK]

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