Werden die Folgen der Tat für das Opfer bei der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt, was insbesondere bei Sexualstraftaten und Körperverletzungsdelikten häufig der Fall ist und sich je nach Schwere der Tatfolgen ganz erheblich zu Ungunsten des Angeklagten auswirken kann, sind die Strafzumessungserwägungen vor allem auch darauf hin zu überprüfen, ob der Zweifelsgrundsatz eingehalten wurde. Dieser gilt uneingeschränkt auch bei der Strafzumessung.

Dies bedeutet, dass die dem Angeklagten angelasteten Folgen seiner Tat zweifelsfrei festgestellt werden müssen. Auch sind die Beweismittel darzulegen, auf denen solche Feststellungen beruhen. Kann das Gericht dagegen keine sicheren Feststellungen über Folgen der Tat treffen, darf sich dies nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken. Eine zum Nachteil des Angeklagten auf bloße Vermutungen hinsichtlich möglicherweise auftretender Spätfolgen der Tat gestützte Strafzumessung ist unzulässig (BGH NStZ-RR 2018, 333).

Der Grad der richterlichen Überzeugung muss dabei so weit reichen wie beim Tatnachweis selbst. Verbleiben hier Zweifel, oder sind die Tatfolgen nur theoretisch möglich, scheidet eine Strafschärfung aus, auch wenn die im Raum stehenden Folgen möglicherweise für das entsprechende Delikt nicht untypisch sind.

 

Hinweis:

Der BGH ist hier recht streng: So wurde in einem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern die Formulierung, dass die schwere Verletzung der Integrität des Opfers dessen Leben "auch Jahre später und immer wieder beeinflussen und ihn belasten kann", beanstandet, da dies besorgen lasse, dass die Strafkammer den Zweifelsgrundsatz missachtet hat (BGH a.a.O.). Zwar liegen in Missbrauchsfällen solche Tatfolgen nicht fern; es genügt aber eben nicht, dass solche Tatfolgen auftreten können; vielmehr muss sicher feststehen, dass sie auftreten werden. Erst recht verfehlt ist es deshalb, dem Angeklagten anzulasten, dass die Folgen seiner Tat "nicht absehbar" seien (OLG Bamberg, Beschl. v. 9.10.2017 – 6 Ss 94/17).

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