Hat ein Mitgliedstaat einen EU-Führerschein unter offensichtlichem Verstoß gegen die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes (§ 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV) ausgestellt und tauscht ein anderer Mitgliedstaat diesen Führerschein um, wirkt der Wohnsitzmangel in dem umgetauschten Führerschein fort. Ein Führerschein, den ein anderer Mitgliedstaat nach Ablauf einer Sperrfrist im Wege des bloßen Umtauschs ausgestellt hat, berechtigt vor deren Tilgung nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland (BVerwG NJW 2018, 3661 = DAR 2018, 704 = zfs 2018, 718 = NZV 2019, 52 [Hühnermann]). Die Vorlage tschechischer Meldebestätigungen, die nichts über das tatsächliche Innehaben eines dortigen Wohnsitzes durch den Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis besagen, hindern das Landratsamt nicht daran, die Wohnsitzvoraussetzung unter Berücksichtigung inländischer Erkenntnisse näher zu überprüfen (VGH München DAR 2018, 583). Einschränkender das VG Regensburg (zfs 2018, 538 = NZV 2018, 590 [Koehl]): Erst dann, wenn unbestreitbare Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat vorliegen, nach denen die Möglichkeit besteht, dass ein Scheinwohnsitz vorliegt, sind alle Umstände, die im anhängigen Verfahren bekannt geworden sind, mit einzubeziehen; die alleinige Mitteilung einer inländischen Behörde, es habe nur eine Meldeanschrift, und zwar im Inland, bestanden, genügt daher nicht zur Annahme einer reinen Scheinanschrift in Polen.

Das für das Vorliegen eines am Ausstellungsort der Fahrerlaubnis bestehenden ordentlichen Wohnsitzes aufgestellte Erfordernis, mindestens 185 Tage im Kalenderjahr an diesem Ort zu wohnen, kann auch erfüllt sein, wenn ein zusammenhängender Zeitraum von 185 Tagen zum Ausstellungszeitpunkt im Kalenderjahr selbst noch nicht verstrichen ist, jedoch dieser entweder in der Folgezeit erreicht wird oder aber sich ein solcher unter Berücksichtigung eines bereits im Vorjahr verstrichenen Zeitraums ergibt (OLG Oldenburg DAR 2019, 163).

Der Ausschluss der Inlandsfahrberechtigung aus § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV findet aufgrund des Anwendungsvorrangs der Anerkennungspflicht aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG keine Anwendung, wenn der Betroffene nach Ablauf der in Deutschland angeordneten Sperrfrist im Mitgliedstaat seines ordentlichen Wohnsitzes einen Führerschein erhielt, dessen Ausstellung nach den Vorgaben der Richtlinie 2006/126/EG die Prüfung der Fahreignung voraussetzt. Dies gilt auch, wenn dem Betroffenen im Inland eine Fahrerlaubnis der Klassen A und B entzogen wurde und er später einen EU-Führerschein der Klasse C erhält (BVerwG NJW 2019, 100 = DAR 2019, 104 = zfs 2018, 714 = NZV 2019, 214 [Koehl]).

 

Hinweis:

Umfassend zu aktuellen Entwicklungen beim Europäischen Führerscheintourismus Koehl (DAR 2018, 588).

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