Rdn 4127

 

Literaturhinweise:

Brüssow, Mehrere Beschuldigte in der prozessualen Wechselwirkung als Beweismittel, in: Festgabe für Heino Friebertshäuser, 1997, S. 171

Grünwald, Die Verfahrensrolle des Mitbeschuldigten, in: Festschrift für Ulrich Klug, 1983, Band II, S. 493

Lenckner, Mitbeschuldigter und Zeuge, in: Festschrift für Karl Peters, 1974, S. 333

Prittwitz, Der Mitbeschuldigte – ein unverzichtbarer Belastungszeuge, NStZ 1981, 463

Richter II, Praktische Theorie. Immer noch einmal der Mitbeschuldigte als Zeuge – Zeugenvernehmung durch den Verteidiger, in: Festgabe für Karl Peters, 1974, S. 235

Schmandt, Höchstrichterliche Anforderungen an besondere Beweiskonstellationen – Aussage gegen Aussage, Aussagen von Mitbeschuldigten oder des "Kronzeugen", StraFo 2010, 446

von Gerlach, Die Vernehmung von Mitangeklagten als Zeugen, NJW 1964, 2397.

 

Rdn 4128

1. Nach überwiegender Meinung in der Lit. ist ein Mitangeklagter kein Beweismittel sui generis (Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 48 Rn 21; KK-Bader, vor § 48 Rn 7; Eisenberg, Rn 927 m.w.N.; zur Befragung des Mitangeklagten durch den Angeklagten → Fragerecht des Angeklagten, Teil F Rdn 1877). Seiner Vernehmung steht ein Beweiserhebungsverbot entgegen (BGH NStZ 2011, 168; Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 49; LR/Becker, § 244 Rn 189, jeweils m.w.N.).

 

Rdn 4129

2. Gelegentlich möchten Gerichte jedoch einen Mitangeklagten nicht nur als Beschuldigten, sondern als Zeugen vernehmen. Dazu kommt es i.d.R. dann, wenn ein Angeklagter sich zur Sache einlässt, ein anderer hingegen nicht. Dann gilt: Die Vernehmung eines Mitangeklagten als Zeugen ist nur zulässig, wenn zuvor eine Trennung der Verfahren erfolgt ist, wie z.B. durch → Abtrennung von Verfahren, Teil A Rdn 336 (BGH NJW 1985, 76; KK-Bader, vor § 48 Rn 8 f.; kritisch Eisenberg, Rn 935). Dazu folgende

 

Rechtsprechungsbeispiele:

 

Rdn 4130

 

Vernehmung des (früheren) Mitangeklagten zulässig

nach endgültiger Einstellung gem. §§ 153, 153a, 206a, 206b (a.A. Eisenberg, Rn 934 m.w.N., der eine Vernehmung nur im Fall des § 206b für zulässig erachtet),
nach vorläufiger Einstellung gem. § 205 (BGH NJW 1985, 76 f.; → Einstellung des Verfahrens nach § 205 wegen Abwesenheit des Angeklagten oder anderer Hindernisse, Teil E Rdn 1648) sowie nach § 154 Abs. 2 (a.A. Eisenberg, a.a.O.),
nach rechtskräftiger Verurteilung bzw. Freispruch,
nach Ausscheiden des Mitangeklagten aus dem Verfahren, weil seine Berufung nach § 329 Abs. 1 verworfen worden ist (OLG Bamberg StraFo 2015, 155; OLG Braunschweig Nds.Rpfl. 2002, 64),
zu selbstständigen Anklagepunkten, an denen er nicht beteiligt war (BGH NJW 1964, 1034 f.; BGHSt 24, 257 ff.).
 

☆ Ggf. kann es die →  Aufklärungspflicht des Gerichts , Teil A Rdn  422 , sogar gebieten , einen Mitangeklagten als Zeugen zu vernehmen , nachdem dieser durch Abtrennung aus dem Verfahren ausgeschieden ist (BayObLG StV 1989, 522 [stets zu vernehmen]).Aufklärungspflicht des Gerichts, Teil A Rdn 422, sogar gebieten, einen Mitangeklagten als Zeugen zu vernehmen, nachdem dieser durch Abtrennung aus dem Verfahren ausgeschieden ist (BayObLG StV 1989, 522 [stets zu vernehmen]).

 

Rdn 4131

 

Vernehmung des Mitangeklagten nicht zulässig

der Mitangeklagte soll Zeuge sein hinsichtlich einer Straftat des oder der anderen Beschuldigten, an der er selbst beteiligt war (BGHSt 3, 152; KK-Bader, vor § 48 Rn 7 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 48 Rn 21 m.w.N.),
eine Abtrennung erfolgt nur, um den Mitangeklagten zu demselben Tatgeschehen, das ihn auch selbst betrifft, vernehmen zu können (KK-Bader, vor § 48 Rn 9 m.w.N.); unzulässig ist die Vernehmung des Mitangeklagten schon, wenn nur ein Zusammenhang mit dem angeklagten Tatvorwurf besteht, z.B. durch Auswirkungen auf die Beweislage (BGHSt 32, 100, 101).

Siehe auch: → Verlesung von Protokollen, Geständnisprotokolle, Teil V Rdn 3494.

[Autor] Burhoff/Hirsch

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