Leitsatz

Der BGH hatte sich in diesem Fall mit der Frage auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen sich der Rechtsmittelführer ein Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

 

Sachverhalt

Nach Ablauf der - bereits verlängerten - Berufungsbegründungsfrist gingen beim Berufungsgericht ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Berufungsbegründung des Beklagten ein. Nach Hinweis des Berufungsgerichts, das Berufungsbegründung und der Prozesskostenhilfeantrag verspätet eingegangen seien, beantragte der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Berufung erneut.

Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und dem Beklagten die begehrte Prozesskostenhilfe versagt, weil die Fristversäumung auf ein ihm zurechenbares Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurückzuführen sei. Der Prozessbevollmächtigte habe weder durch eine allgemeine Kanzleianweisung noch durch seine Einzelanweisung eine ausreichende Postausgangs- und Fristwahrungskontrolle sichergestellt. Deswegen sei es zur Löschung der Frist gekommen, noch bevor sich die Kanzleiangestellte anhand des Sendeprotokolls von der ordnungsgemäßen Übermittlung der Berufungsbegründung überzeugt habe. Der Prozessbevollmächtigte habe den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung oder des Prozesskostenhilfeantrages auch nicht durch andere organisatorische Maßnahmen sichergestellt. Zwar habe die Kanzleiangestellte in ihrer eidesstattlichen Versicherung erklärt, sie habe am 13.12.2006 auf dem Heimweg mit der übrigen Post auch diese Schriftsätze vom gleichen Tag in den Briefkasten geworfen. Dabei sei allerdings offen geblieben, wann dies geschehen sein sollte, um welchen Briefkasten es sich gehandelt habe und vor allem, zu welchem Zeitpunkt die nächste Leerung erfolgen sollte.

Diese Unklarheit spreche dafür, dass die erst am folgenden Montag beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung zu spät zur Post gegeben worden sei.

Hiergegen wandte sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

 

Entscheidung

Der BGH hielt die Rechtsbeschwerde für statthaft und zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordere.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH diene das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und auf rechtliches Gehör geböten den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren.

Allerdings könne es den Beklagten nicht entlasten, dass die Berufungsbegründung und der Prozesskostenhilfeantrag ursprünglich schon am 13.12.2006 per Telefax an das Berufungsgericht übermittelt werden sollten. Insoweit gehe das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass die unterlassene Übermittlung per Telefax auf ein dem Beklagten gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten zurückzuführen sei.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genüge der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweise, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Erst danach dürfe die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse v. 20.7.2005 - XII ZB 68/05, FamRZ 2005, 1534 f.; v. 10.5.2006 -XII ZB 267/04, BGH v. 10.5.2006 - XII ZB 267/04, BGHReport 2006, 1121 = CR 2006, 673 = FamRZ 2006, 1104, 1005 f.; BGH Beschl. v. 10.10.2006 - XI ZB 27/05, MDR 2007, 419 = BGHReport 2007, 26 = NJW 2007, 601 f.).

Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle müsse sich entweder aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehle es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, müsse sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz zugleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte sei dann zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen.

Eine diesen Anforderungen genügende Anordnung der Ausgangskontrolle habe weder der Prozessbevollmächtigte des Beklagten noch dessen Kanzleiangestellte vorgetragen oder glaubhaft gemacht.

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sich auf eine ausdrücklich erteilte Einzelanweisung berufe, hätte er außerdem dafür sorgen müssen, dass diese nicht vergessen wird.

Wenn eine Einzelanweisung - wie hier - einen solch wichtigen Vorgang wie die Wahrung einer Rechtsmittelbegründungsfrist betreffe, müssten in der Kanzlei ausr...

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