Leitsatz

Nutzungswiderspruch hier durch Auslegung im Sinne weitreichender Gewerbenutzung zu lösen (hier: zulässige Pizzeria)

 

Normenkette

§ 10 WEG, § 15 WEG

 

Kommentar

1. In der Teilungserklärung war Sondereigentum als "Gewerbeetage" bezeichnet, im Aufteilungsplan allerdings nur als "Ladengeschäft". Im Streit ging es um die Nutzungsberechtigung des Teileigentümers zum Betrieb einer Pizzeria in diesen Räumlichkeiten.

2. Teilungserklärung und Aufteilungsplan sind nach den für Grundbucheintragungen anzuwendenden Grundsätzen auszulegen, d.h. danach, wie ein unbefangener Betrachter als nächstliegende Bedeutung Eintragungen oder Bezugsunterlagen nach Wortlaut und Sinn verstehen müsste (h.R.M.). Ist hier von einem Widerspruch der Nutzungsangaben in Teilungserklärung und Aufteilungsplan auszugehen, darf sich ein unbefangener Betrachter nicht darauf verlassen, dass von den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten nur die am engsten begrenzte Nutzungsart zulässig sei; vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass die kraft Gesetzes umfassende Nutzungsmöglichkeit eines Teileigentums nur bei einer eindeutig ausgewiesenen Einschränkung entfällt.

In der beschwerdeführerseits zitierten Entscheidung des BGH (NJW 95, 2851) ging es - anders als hier - allein um Größenwidersprüche zweier Speicherflächen in Teilungserklärung und Aufteilungsplan; dieser Widerspruch konnte nicht durch Auslegung ausgeräumt werden, was zum Ergebnis in der BGH-Entscheidung führte, dass Sondereigentum hinsichtlich dieser Räume nicht wirksam entstanden sei. Im vorliegenden Fall geht es lediglich um widersprüchliche Nutzungsbestimmungen, die durch entsprechende Auslegung gerade beseitigt werden können. Die Zweckbestimmung "Gewerbeetage" ist als umfassender Oberbegriff zu verstehen, der nach der maßgebenden nächstliegenden Bedeutung für einen unbefangenen Betrachter alle gewerblichen Nutzungsmöglichkeiten, mithin auch den Betrieb einer Pizzeria umfasst und zulässt.

3. Eine berechtigte Nutzung gestattet allerdings nicht jegliche bauliche Veränderung im Bereich des Gemeinschaftseigentums. Vorliegend ging es jedoch allein um die Einziehung von Zwischenwänden in dem Teileigentum, also um Sondereigentum und nicht um eine behauptete bzw. tatsächliche Umgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums.

4. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Wert des Beschwerdegegenstandes von DM 27.000,-.

 

Link zur Entscheidung

( Thüringer OLG, Beschluss vom 03.03.1999, 6 W 734/98)

zu Gruppe 5:  Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Eine übersichtlich aufgebaute und überzeugend begründete Entscheidung wohl im Sinne der derzeit herrschenden Rechtsmeinung zu dem in der Praxis leider nicht seltenen Fall, dass Bezeichnungen/Beschriebe in Aufteilungsplan und Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung zu entsprechenden Nutzungsfragen von Teileigentum widersprüchlich sind. Im Grundsatz ist bei dieser Problematik heute davon auszugehen, dass weder dem Aufteilungsplan noch der Teilungserklärung als gleichrangigen Bezugs- und Begründungsunterlagen von Wohnungseigentum ein Vorrang gebührt. Da allerdings Teileigentum gesetzlich dahingehend definiert ist, dass dort insoweit allein eine Wohnnutzung ausgeschlossen ist ( § 1 Abs. 3 WEG), wird wohl stets den Beschrieben (entweder in Plan oder Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung) Vereinbarungs- und Nutzungsbestimmungscharakter vorrangig einzuräumen sein, die eine am weitesten gehende Nutzungsmöglichkeit für ein solches Teileigentum eröffnen. Dies ist zu Recht auch vom OLG Thüringen (Jena) gesehen worden, wobei in bisherigen Streitfällen über solche Nutzungsberechtigungen meist in Tekturen und Plänen Eintragungen mit enger begrenzter Nutzungsmöglichkeit vorzufinden waren, in Teilungserklärungen und insbesondere Gemeinschaftsordnungen dann mit weitergehenden Nutzungs- und Zweckbestimmungsbeschrieben (wie auch im hier entschiedenen Falle). Eine notwendige Auslegung führte hier in bisheriger Rechtsprechung letztlich i.d.R. doch zu einem "Nutzungsvorrang" des geschriebenen Wortes in der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung (gegenüber Eintragungsvermerken in Sondereigentumsräumlichkeiten in den Plänen). Die Gemeinschaftsordnung ist auch der richtige "Ort" für solche Nutzungsvereinbarungen. Solche Auslegungsstreitigkeiten (ggf. durch 3 Instanzen) sollten allerdings bei mehr Sorgfalt der Teilenden und Begründer von Wohnungseigentum (einschließlich der Notare im Falle beurkundeter Teilungserklärungen mit Gemeinschaftsordnung) vermeidbar sein! Bei Zweifeln hinsichtlich rechtsgültiger, sachenrechtlich wirksamer Entstehung von Sondereigentum muss i.Ü. von Gemeinschaftseigentum ausgegangen werden (so die h.M., vgl. zuletzt BayObLG v. 15. 7. 1999, ZMR 11/1999, 773).

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