Nach bisheriger Rechtslage hat jeder Wohnungseigentümer einen Individualanspruch gegen einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung einer zweckbestimmungswidrigen Nutzung des Sondereigentums. Dieser Anspruch resultiert bislang aus § 15 Abs. 3 WEG a. F. i. V. m. § 1004 Abs. 1 BGB.

Der Unterlassungsanspruch wird sich künftig aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG n. F. i. V. m. § 1004 Abs. 1 BGB ergeben und gemäß § 9a Abs. 2 WEG n. F. der alleinigen Ausübung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unterliegen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss diesen Anspruch auch nicht mehr an sich ziehen, vielmehr steht er ihr qua Gesetz gemäß § 9a Abs. 2 WEG n. F. zu. Das Recht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kennt insoweit künftig nur noch die "geborenen" und nicht mehr die "gekorenen" Ansprüche, welche bislang zunächst den Wohnungseigentümern zustanden und die der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch entsprechende Beschlussfassung zur Ausübung übertragen werden konnten.[1] Freilich bedarf es aber dennoch zumindest einer Beschlussfassung über die tatsächliche Anspruchsdurchsetzung.

Anders aber dann, wenn das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers konkret durch die zweckbestimmungswidrige Nutzung beeinträchtigt wird. Dann kann dieser den zweckbestimmungswidrig nutzenden Wohnungseigentümer auch direkt auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

 
Praxis-Beispiel

Abgrenzungsbeispiel[2]

Die Wohnungseigentümergemeinschaft besteht insgesamt aus 10 Sondereigentumseinheiten. Das Erdgeschoss ist in der Teilungserklärung als "Büroetage" bezeichnet. Daneben befinden sich in den oberen Etagen ausschließlich Wohnungen. In der Gemeinschaftsordnung ist geregelt, dass die "Büroetage" zur Nutzung als Büro vorgesehen ist und die Wohnungen ausschließlich Wohnzwecken dienen. Die Teileigentümerin vermietet die Büroetage an den Betreiber von Intensivpflege- und Beatmungs-WGs. Auch in der Büroetage wird daher eine solche Einrichtung betrieben. Insgesamt werden dort 5 schwer kranke Personen von täglich mindestens 2 Pflegekräften versorgt. Daneben wird die Einrichtung ebenfalls täglich von medizinischen Fachkräften frequentiert und Besuchern der schwer kranken Patienten. Im Zuge des Abtransports verstorbener Patienten und der Einlieferung neuer, kam es bereits zu sichtbaren Beschädigungen im Eingangsbereich der Wohnanlage.

Da die Patienten rund um die Uhr an Überwachungsgeräte zur Überprüfung ihres Gesundheitszustands angeschlossen sind, die akustische Alarmsignale senden, soweit sich der Gesundheitszustand temporär verschlechtert, kommt es häufig nachts zu Störungen in den beiden über der Büroeinheit gelegenen Wohnungen. In diesen sind diese Alarmsignale nämlich zu hören. In den höher gelegenen Etagen sind die Signaltöne nicht zu vernehmen.

Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Zunächst einmal wird durch die bestimmte Bezeichnung einer Sondereigentumseinheit in der Teilungserklärung, z. B. als "Büroetage", die zulässige Nutzung dieser Einheit beschränkt – wenn es sich (wie in aller Regel) um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter handelt. Eine solche dient der Regelung der Beziehungen der Wohnungseigentümer untereinander, ist also Teil der Gemeinschaftsordnung, die ähnlich einer Satzung die Grundlage für das Zusammenleben der Wohnungseigentümer bildet.[3]

Dies zugrunde gelegt, ist § 14 Abs. 1 Nr. WEG n. F. im Beispielsfall betroffen. Diese Vorschrift regelt gerade die Pflicht eines jeden Wohnungseigentümers, die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten, wobei diese Pflicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber besteht. Zunächst ist also ihr Rechtskreis betroffen. Sowohl bei typisierender als auch bei konkreter Betrachtungsweise ist die Nutzung als Intensivpflege aufgrund der damit verbundenen stärkeren Inanspruchnahme des Teileigentums (hochfrequentierte Nutzung, Beschädigungen im Eingangsbereich) mit größeren Beeinträchtigungen verbunden, als dies bei einer zweckbestimmungsgemäßen Nutzung der Fall wäre; ein Unterlassungsanspruch besteht also. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss nun diesen Anspruch nicht mehr an sich ziehen, die Ausübungsbefugnis verleiht ihr § 9a Abs. 2 WEG. Freilich muss aber dennoch ein Beschluss darüber gefasst werden, den Unterlassungsanspruch auch geltend zu machen.

Beeinträchtigte Wohnungseigentümer

Neben dem Rechtskreis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist allerdings auch der Rechtskreis der beiden Eigentümer der über der Büroeinheit gelegenen Wohnungen betroffen. Durch die dort vernehmbaren Signaltöne ist ihr Sondereigentum direkt beeinträchtigt. Insoweit regelt § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG n. F. die Verpflichtung eines jeden Wohnungseigentümers gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern, deren Sondereigentum nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus zu beeinträchtigen. Eine über dieses Maß hinaus gehende Beeinträchtigung liegt aber vor, da es bei zweckbestimmungsgemäßer Nutzung als Büro keiner Überwachungsmaschine bedarf. Auch diesen be...

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