Leitsatz

  1. Gemeinschaft kann durch Beschluss auch Abwehransprüche gegen einen störenden Miteigentümer auf Beseitigung einer widerrechtlich vorgenommenen baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums an sich ziehen ("vergemeinschaften") und dann auch – insbesondere auf Hinweis des Gerichts über hohes Prozessrisiko – das Verfahren durch Vergleichsbeschluss beenden
  2. Beschlussfassung über vergleichsweise Beendigung des Streits muss allerdings Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, stellt jedenfalls im Anfechtungsfall per se keine Rechtlosstellung einzelner Eigentümer dar
  3. Ehegatten können sich grundsätzlich wechselseitig in der Eigentümerversammlung vertreten
 

Normenkette

§§ 10 Abs. 6 Satz 3, 14 Nr. 1, 21, 22 Abs. 1, 25 Abs. 2 Satz 2, 27 Abs. 1 Nr. 1, 43 Nr. 4, 46 WEG; § 1004 Abs. 1 BGB; § 542 Abs. 2 ZPO

 

Kommentar

  1. Kurz zum unstreitigen Sachverhalt

    Im vorliegenden Fall handelt es sich um das Berufungsurteil gegen ein einstweiliges Verfügungsurteil des Amtsgerichts, sodass das Landgericht den Tatbestand nicht wiederholen musste und insoweit auf Feststellungen des Amtsgerichts verweisen konnte, zumal gegen die Berufungsentscheidung – hier auf Aufhebung des Verfügungsurteils und Zurückweisung des Verfügungsantrags – kein weiteres Rechtsmittel zulässig, d.h. auch Revision gemäß § 542 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist.

    Vorliegend hatte die Gemeinschaft bereits vor Jahren (zuletzt 2005) bestandskräftig die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen nach § 1004 BGB gegen eine Störerin/Miteigentümerin beschlossen, die Jahre zuvor ganz erhebliche nachteilige bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum im Bereich ihres Wohnungseigentums vorgenommen hatte. Nach Obsiegen der Gemeinschaft beim Amtsgericht kam es in der Berufungsinstanz dieses Vorverfahrens beim LG München I unter dem Az. 36 T 2400/09 zum Ruhen des Verfahrens, da das Gericht den Beteiligten dringend den Abschluss eines Vergleichs (auch mit Zahlungsabfindungsklausel) angeraten und diese Empfehlung in der mündlichen Berufungsverhandlung auch im März 2010 protokollarisch festgehalten hatte. Das Gericht warnte davor, den Prozess weiterzuführen, vor allem im Hinblick auf die Komplexität der Sach- und Rechtslage, etwaige Nichtigkeit und Reichweite früherer Genehmigungsbeschlüsse, Aufteilungs- und Zuordnungsabgrenzung von Sondereigentum/Gemeinschaftseigentum (Dachspitzproblematik), noch strittige Fragen einer konstitutiven Anspruchsbegründung durch Beschlussfassung sowie Anspruchsverjährungsprobleme. Nachfolgend kam es dann in der Eigentümerversammlung vom 7.10.2010 zu einem mit sehr knapper Mehrheit gefassten Beschluss auf Annahme eines i. Ü. von der Störerin erheblich verbesserten Vergleichsangebots (u.a. erheblicher Aufbesserung einer Abfindungszahlung in Höhe von 50.000 EUR). Auf Anfechtung dieses Beschlusses durch eine andere Miteigentümerseite in der Hauptsache und parallel beantragter einstweiliger Verfügung erließ das AG München mit Beschluss vom 9.11.2010 (zu Az. 484 C 28196/10 WEG) die beantragte Verfügung mit folgendem Tenor: "Die Antragsgegner werden verpflichtet, die Verwaltung … anzuweisen, den … beschlossenen Vergleich zwischen der Gemeinschaft … und der … erst dann namens der Gemeinschaft … zu unterzeichnen, wenn der in der EV vom 7.10.2010 gefasste Beschluss bestandskräftig geworden ist." Im Wesentlichen ging das Amtsgericht von einem Rechtsverlust der Klägerseite hinsichtlich ihrer Individualansprüche aus, sollte der Vergleichsbeschluss vom Verwalter durch Leistung der Unterschrift vollzogen werden. Ähnlich lautete die Erstentscheidung des Amtsgerichts in der Hauptsacheanfechtung, die noch im Berufungsverfahren anhängig ist. Gegen das Verfügungsurteil hatte die Berufung der Gemeinschaft nunmehr mit nachfolgender Begründung beim LG München I Erfolg.

  2. Aus den Gründen dieser Entscheidung im Eilverfahren nach summarischer Überprüfung

    2.1 Über den Verfügungsgrund muss hier nicht entschieden werden, da es bereits an einem Anspruch des Verfügungsklägers auf Aussetzung der Beschlussvollziehung bzw. entsprechender Anweisung der Verwaltung fehlt. Ein solcher Anspruch wäre allenfalls bei Widerspruch des Beschlusses gegen Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung denkbar, die hier jedoch die Kammer bei summarischer Überprüfung der vom Kläger vorgebrachten Einwendungen verneinte.
    2.2 Die behaupteten formellen Rügen gegen den Beschluss greifen nicht, wenn hier von 2 Ehepaaren als Bruchteilsmiteigentümern eines Wohnungseigentums jeweils nur ein Ehegatte in der Versammlung erschienen ist und nicht die in der Gemeinschaftsordnung vorgesehene schriftliche Vollmacht vorlegte (vgl. zur Problematik Spielbauer/Then § 25 Rn. 5; OLG Frankfurt v. 7.8.1996, 20 W 543/95; BayObLG, WuM 1990 S. 621; BayObLG, WE 1995 S. 96; OLG Düsseldorf, ZMR 2004 S. 53). I. Ü. kann zwar ein Bevollmächtigter von der Abstimmung ausgeschlossen werden, wenn der Versammlungsleiter den Vertreter zurückweist und dieser eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt. Geschieht dies – wie hier – nicht, ist die St...

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