Leitsatz

Bestehen zwischen einem Wohnungseigentümer und dem Verwalter erhebliche Differenzen, ist die Wohnung des Verwalters ein unzumutbarer Ort für eine Wohnungseigentümerversammlung

 

Normenkette

§§ 23 Abs. 2, 24 Abs. 1, 28 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 WEG

 

Das Problem

  1. Zwischen der Verwalterin und Wohnungseigentümerin W bestehen seit Jahren Differenzen über die Art und Weise der Verwaltung. 2012 lädt die Verwalterin zu einer Versammlung in die Wohnung von Wohnungseigentümer B ein (ihrem Ehemann). W schreibt daraufhin die Verwalterin an und äußert ihre Bedenken hinsichtlich des Tagungsortes. Die Versammlung findet – ohne W – dennoch in B's Wohnung statt.
  2. W ist der Ansicht, die Beschlüsse seien aufgrund des für sie unzumutbaren Tagungsortes unwirksam. Darüber hinaus seien die Beschlüsse aber auch noch aus anderen Gründen unwirksam. Soweit unter TOP 1 über den Tagungsort ein Beschluss gefasst worden sei, habe sich nicht aus der Einladung ergeben, dass über den Tagungsort abgestimmt werden solle. Unter TOP 2 habe nicht über die Abrechnungen für die Jahre 2009/2010 abgestimmt werden dürfen, da die Abrechnungen der Einladung nicht beigefügt gewesen seien. Auch seien die Abrechnungen unvollständig und fehlerhaft. Der Beschluss unter TOP 3 sei schon deshalb ungültig, weil nach diesem Beschluss W die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens eines Dritten gegen sie aufgebürdet würden. Soweit unter TOP 4 beschlossen worden sei, auf Wirtschaftspläne zu verzichten, verstoße dies gegen § 28 Abs. 1 WEG. Soweit unter TOP 5 die Kontoänderung gebilligt worden sei, verstoße der Beschluss gegen § 27 Abs. 5 Satz 1 WEG.
 

Die Entscheidung

  1. Alle Beschlüsse seien offensichtlich ungültig. Schon die Auswahl des Versammlungsortes begründe die Unwirksamkeit aller in der Versammlung getroffenen Beschlüsse. Damit allen Wohnungseigentümern die Teilnahme ermöglicht und nicht erschwert wird, müsse der Ort der Eigentümerversammlung verkehrsüblich zu erreichen und den Wohnungseigentümern zumutbar sein. Der Versammlungsort sei für W jedoch unzumutbar gewesen. Aufgrund der seit Längerem bestehenden erheblichen Differenzen zwischen ihr und der Verwalterin, hätte die Versammlung an einem neutralen Ort stattfinden müssen.
  2. Darüber hinaus seien die Beschlüsse aber auch aus weiteren Gründen für unzulässig zu erklären. Nach § 23 Abs. 2 WEG sei es für die Gültigkeit eines Beschlusses erforderlich, dass sein Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet wird. Dass über den Versammlungsort abgestimmt werden sollte, ergab sich jedoch nicht aus der Einladung, sodass auch aus diesem Grund der unter TOP 1 gefasste Beschluss für ungültig zu erklären sei. Nach § 28 Abs. 5 WEG hätten die Wohnungseigentümer über den Wirtschaftsplan, die Abrechnung und die Rechnungslegung des Verwalters durch Stimmenmehrheit zu beschließen. Es sei insoweit eine Selbstverständlichkeit, dass jedem Wohnungseigentümer zur Vorbereitung der Beschlussfassung nach § 28 Abs. 5 WEG der Gesamtplan bzw. die Gesamtabrechnung sowie mindestens der Einzelplan bzw. die Einzelabrechnung für sein Wohnungseigentum mit der Einladung zur Mitgliederversammlung zu übersenden seien.
  3. Der Beschluss zu TOP 3 entbehre offensichtlich jeglicher Rechtsgrundlage. Die Kosten des Dritten stellten keine Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft dar und unterlägen daher auch nicht der Verwaltung der Wohnungseigentümer.
  4. Der Beschluss, wonach auf Wirtschaftspläne verzichtet werden könne (TOP 4), verstoße gegen § 28 WEG. Aus dem Gesetzeswortlaut folge, dass es sich um eine Pflicht des Verwalters gegenüber allen Wohnungseigentümern handle, sodass auf einen Wirtschaftsplan nicht durch einen Beschluss verzichtet werden könne.
  5. Soweit die Wohnungseigentümer unter TOP 5 die Kontoführung der Verwalterin genehmigt hätten, sei der Beschluss mit § 27 Abs. 3 Nr. 5 und Abs. 5 Satz 1 WEG unvereinbar. Nach § 27 Abs. 3 Nr. 5 WEG sei der Verwalter berechtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie im Rahmen der Verwaltung der eingenommenen Gelder Konten zu führen. Der Verwalter sei danach berechtigt, Konten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu führen. Aufgrund dieser gesetzlichen Möglichkeit seien offene Treuhandkonten nicht mehr zulässig. Dies folge auch aus § 27 Abs. 5 Satz 1 WEG, wonach der Verwalter verpflichtet sei, eingenommene Gelder von seinem Vermögen gesondert zu halten. Nach dem Beschluss solle Kontoinhaberin jedoch die Verwalterin und nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft sein.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Welcher Versammlungsort (geografische Gemeinde) und welche Versammlungsstätte (Saal, Raum etc.) vom Einzuladenden zu wählen sind, kann durch Vereinbarung oder durch Beschluss nach § 21 Abs. 3 WEG bestimmt werden. Fehlt es an einer Bestimmung, unterfällt Auswahl und Festlegung dem Gestaltungsspielraum des Einberufenden (Elzer, ZMR 2006, S. 85, 90). Versammlungsort und Versammlungsstätte müssen so beschaffen sein, dass eine ordnungsmäßige Durchführung gewährleistet, allen Wohnungseigentümern die Teilna...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge