Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es um mehrere Fragen zur Anwendung von Artikel 19 der 6. EG-Richtlinie. Wird ein Gegenstand oder eine Dienstleistung für gemischte - steuerpflichtige und steuerfreie - Umsätze verwendet, ist nach Art. 17 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie der Vorsteuerabzug nur auf die dazu berechtigenden Umsätze zulässig. Dieser Pro-rata-Satz bezieht sich grundsätzlich auf alle von dem Unternehmer bewirkten Umsätze. Die Mitgliedstaaten können jedoch hiervon Abweichungen vorsehen. Wird der Pro-rata-Satz in seiner Grundform angewendet, ermittelt er sich nach Art. 19 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie aus dem Verhältnis des Gesamtbetrags der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze zu dem Gesamtbetrag aller Umsätze. Außer Ansatz bleiben bei diesem Bruch Lieferungen von Investitionsgütern und Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücks- und Finanzgeschäfte (Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie). Der Pro-rata-Satz wird auf Jahresbasis in Prozent festgelegt und auf einen vollen Prozentsatz gerundet (Artiikel 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz der 6. EG-Richtlinie). Jedoch können die Mitgliedstaaten (so Artikel 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 der 6. EG-Richtlinie)

  1. dem Steuerpflichtigen gestatten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden, wenn für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen geführt werden;
  2. den Steuerpflichtigen verpflichten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden und für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen zu führen;
  3. dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen;
  4. dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Vorsteuerabzug nach der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Regel bei allen Gegenständen und Dienstleistungen vorzunehmen, die für die dort genannten Umsätze verwendet wurden;
  5. vorsehen, dass der Betrag der Mehrwertsteuer, der vom Steuerpflichtigen nicht abgezogen werden kann, nicht berücksichtigt wird, wenn er geringfügig ist.

Das Vorlagegericht wollte wissen:

  1. Verlangt Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie, dass der Pro-rata-Satz des von einem Steuerpflichtigen nach Art. 17 Abs. 5 geltend gemachten Vorsteuerabzugs auf Jahresbasis festgesetzt und auf einen die nächst höhere ganze Zahl nicht übersteigenden Wert aufgerundet wird, wenn

    1. dieser Pro-rata-Satz für einen Bereich der Tätigkeit des Steuerpflichtigen gemäß Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a oder b angewendet wird und/oder
    2. dieser Pro-rata-Satz einen Abzug betrifft, der je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der vom Steuerpflichtigen verwendeten Gegenstände oder Dienstleistungen gemäß Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c vorgenommen wird, und/oder
    3. dieser Pro-rata-Satz einen Abzug betrifft, der bei allen Gegenständen und Dienstleistungen, die für die in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 genannten Umsätze verwendet wurden, gemäß Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d vorgenommen wird?
  2. Erlaubt Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 den Mitgliedstaaten, vorzuschreiben, dass der Pro-rata-Satz des von einem Steuerpflichtigen nach Art. 17 Abs. 5 geltend gemachten Vorsteuerabzugs auf einen anderen Wert als auf die nächsthöhere ganze Zahl aufgerundet wird?

Die Klägerin ist Organträgerin einer Unternehmensgruppe im Bereich der Finanzdienstleistungen. Sie bewirkt sowohl steuerpflichtige als auch befreite Umsätze. Die von der Klägerin bezogenen Leistungen werden sowohl für steuerpflichtige als auch für befreite Umsätze verwendet. Der Teil der von der Klägerin getragenen Vorsteuern, die sich nicht ausschließlich entweder besteuerten oder befreiten Umsätzen zuordnen lassen, wurden von den Parteien des Ausgangsverfahrens als "Restvorsteuer" bezeichnet. Im Jahr 2002 schloss die Klägerin mit der britischen Mehrwertsteuerbehörde eine Vereinbarung über die Bewilligung eines besonderen Verfahrens für die teilweise Befreiung (Abzugsmöglichkeit) hinsichtlich der Restvorsteuer bei der Organschaft der Klägerin. In dieser Vereinbarung wurden bestimmte Parameter festgelegt, anhand deren für jeden Tätigkeitsbereich der Klägerin ein besonderes Verfahren zur Ermittlung der abzugsfähigen Restvorsteuern vereinbart werden kann. Die Vereinbarung sieht insbesondere vor, dass dann, wenn in dem Verfahren, das auf einen zur Geschäftstätigkeit der Klägerin gehörenden Tätigkeitsbereich oder einen Teil desselben anwendbar ist, der Vorsteuerabzug auf der Grundlage eines zu berechnenden Prozentsatzes vorzunehmen ist, dieser Prozentsatz auf zwei Dezimalstellen aufzurunden ist. Später vertrat die Klägerin die Auffassung, diese Bestimmung der Vereinbarung verstoße gegen die Art. 17 und 19 der 6. EG-Richtlinie und sei daher unwirksam. Nach Ansicht der Klägerin schreibt die 6. EG-Richtlinie eine Aufrundung auf die nächst höhere ganze Zahl vor und sie verlangte daher von der Mehrwertsteuerbehörde die Zustimmung zu einer Aufteilungsberechnung zur Quantifizierung des Restvorsteuerabzugs für eine...

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