Leitsatz

Lehrreiche und ausführlich begründete Kostenentscheidung des Landgerichts München I nach Hauptsacheerledigung, insbesondere

  1. zur umstrittenen Frage der Gültigkeit eines sog. Vorschaltbeschlusses, allein in nächster Versammlung auf das gesetzliche Beschlussfähigkeitserfordernis im Sinne ermöglichter/erwünschter Eventualeinberufung zu verzichten;
  2. zum Stimm- und Vertretungsrecht von Bruchteilseigentümern eines Tiefgaragen-Teileigentums;
  3. zu Kausalitätsfragen etwaiger Mängel eines Beschlussverfahrens;
  4. zur Fassadenerneuerung mit Wärmedämmung im Grenzbereich des § 22 WEG
 

Normenkette

§§ 22, 23 Abs. 4, 25 Abs. 4 WEG; §§ 744, 745 BGB; § 91a ZPO

 

Kommentar

1. Eine Gemeinschaft hatte in der Eigentümerversammlung 2007 beschlossen: "Die Hausverwaltung wird ermächtigt, gleichzeitig mit der Einladung zur (nächsten) ordentlichen Versammlung 2008 eine für eine halbe Stunde später angesetzte zweite Versammlung mit gleicher Tagesordnung für den Fall einzuberufen, dass die Erstversammlung mangels ausreichend vertretener Miteigentumsanteile nicht beschlussfähig ist; die zweite Versammlung ist dann unabhängig von der Anzahl vertretener Miteigentumsanteile in jedem Fall beschlussfähig." Dieser Beschluss wurde nicht angefochten. Die unter Hinweis auf diesen Beschluss einberufene nächste ordentliche Jahresversammlung 2008 fasste daraufhin unter Anwesenheit von etwa 45 % der stimmberechtigten Eigentümer insbesondere diverse Sanierungsbeschlüsse (einschließlich neuer Fassadengestaltung mit aufgebrachter Wärmedämmung),die von einem Miteigentümer angefochten wurden. Das Amtsgericht ging ohne Beweisaufnahme von der Gültigkeit der Beschlüsse aus, insbesondere auch von der Zulässigkeit der Eventualeinberufung. Während des Berufungsverfahrens wurde dann in einer weiteren Eigentümerversammlung neuerlich ein Beschluss insbesondere zum Sanierungsthema ohne formalrechtliche Probleme beschlossen, sodass übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt werden konnte. Das Berufungsgericht musste somit allein noch eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO fassen und kam hier zum Ergebnis einer wechselseitigen Kostenaufhebung mit – auszugsweise – folgender ausführlicher Begründung:
2. a) Nach übereinstimmender Hauptsacheerledigung ist allein noch gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Frage der Kostentragungspflicht durch das Gericht zu entscheiden. Einer ausdrücklichen Aufhebung eines bereits ergangenen Urteils erster Instanz bedarf es insoweit nicht, da dieses analog § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO von selbst wirkungslos wird. Bei der noch allein zu treffenden Kostenentscheidung wird im Allgemeinen der ohne die Erledigterklärung zu erwartende Verfahrensausgang den Ausschlag geben (im Sinne der §§ 91 ff. ZPO). Dabei muss das Gericht nicht jede für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsame Frage abhandeln. Es hat sich vielmehr auf eine summarische Überprüfung der Erfolgsaussichten zu beschränken. Eine Beweisaufnahme findet grundsätzlich nicht mehr statt. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im materiellen Recht sind hier nicht zu klären, da hierfür allein eine Kostenentscheidung keinen geeigneten Rahmen bietet (vgl. BGH, NJW-RR 2009 S. 425 und NJW-RR 2004 S. 1219, 1220). Bei nicht hinreichend geklärter Rechtslage und damit verbundenem ungewissen Prozessausgang sind die Kosten gegeneinander aufzuheben (ebenso OLG Koblenz, NJW-RR 1999 S. 943, 944). Vorliegend ging es zum Teil um solche grundsätzlichen Rechtsfragen, deren Ergebnis bei Fortsetzung des Streits nicht hinreichend sicher prognostiziert werden konnte.
b) Von einem Einberufungsmangel nach § 23 Abs. 2 WEG (ausreichender Beschrieb in der Einladung zur Tagesordnung) war vorliegend nicht auszugehen, da im Rahmen einer Beschlussfassung über eine Fassadensanierung bei entsprechender positiver Entscheidung auch Beschlüsse über den Austausch aller Holzfenster und defekter alter Kunststofffenster angedacht sein sollten.
c) Steht ein Tiefgaragen-Teileigentum in Bruchteilsgemeinschaft, so obliegt die Verwaltung den Mitgliedern jeweils gemeinschaftlich (vgl. § 744 Abs. 1 BGB), es sei denn, diese wäre einem einzelnen Miteigentümer durch Mehrheitsbeschluss gemäß § 745 BGB übertragen, woraus sich auch eine entsprechende Bevollmächtigung im Außenverhältnis ergäbe. Ein solcher Beschluss nach § 745 BGB bestand vorliegend nicht. Dass hier einzelne Mitglieder der Bruchteilsgemeinschaft in der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung anwesend gewesen seien, reicht nicht für eine ordnungsgemäße Vertretung der Bruchteilsgemeinschaft. Einzelne Mitglieder waren auch nicht rechtsgeschäftlich bevollmächtigt, was auch nicht behauptet wurde. Eine quasi automatisch erteilte Vollmacht nach Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung bestand ebenfalls nicht. Dort war allein geregelt, dass bei einer Mehrheit von Berechtigten an einem Wohnungseigentum auf Verlangen des Verwalters diesem ein Bevollmächtigter zu benennen sei. Insoweit war auch n...

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