Leitsatz

Die 21-jährige Klägerin begehrte von ihrem von ihrer Mutter getrennt lebenden Vater Zahlung rückständigen und laufenden Ausbildungsunterhalts für die Zeit ab Beginn ihres Studiums im Juni 2004.

Erstinstanzlich wurde er zur Zahlung rückständigen Unterhalts seit dem 1.10.2004 und laufenden Unterhalt ab 1.12.2005 verurteilt.

Der Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Er bestritt im Hinblick auf die von der Klägerin erhaltenen Vorschussleistungen nach dem BAFöG deren Aktivlegitimation und Bedürftigkeit. Im Übrigen berief er sich auf verwirkungsbegründendes Verhalten und stellte seine eigene Leistungsfähigkeit in Abrede.

In der Berufungsinstanz berief er sich ferner auf die vorrangige Einstandspflicht der Großmutter der Klägerin, die sie und ihren Bruder bereits durch Adoptionsvertrag vom 30.7.2004 als Kind angenommen hatte.

Die Klägerin begehrte im Hinblick auf die von ihr behauptete vollständige Leistungsunfähigkeit ihrer Mutter im Wege der Anschlussberufung höhere monatliche Unterhaltszahlungen, und zwar rückwirkend weiterhin auch für die Zeit ab 1.6.2004.

Das Rechtsmittel des Beklagten hatte Erfolg und führte zur vollständigen Abweisung der Klage mit der Folge, dass auch die unselbständige Anschlussberufung der Klägerin ihre Wirkung verlor.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG verneinte einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt schon unter Billigkeitsgesichtspunkten (§ 1611 Abs. 1 BGB). Danach sei der Beklagte nicht verpflichtet, der Klägerin für die Zeit ihres Studiums Ausbildungsunterhalt zu zahlen.

Für die Zeit vor dem 1.5.2006 scheitere das Klagebegehren schon an dem Fehlen der Verzugsvoraussetzungen.

Für die Zeit ab 1.4.2005 lagen nach Auffassung des OLG die Anspruchsvoraussetzungen für eine anteilige Inanspruchnahme des Beklagten grundsätzlich vor. Letztendlich komme es hierauf jedoch nicht mehr an, da jedenfalls seit der Adoption durch ihre Großmutter die Klägerin auf deren vorrangige Inanspruchnahme zu verweisen sei, da der Annehmende dem angenommenen Kind grundsätzlich vor dessen leiblichen Eltern zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet sei (§ 1770 Abs. 3 BGB).

Die Klägerin habe trotz nachhaltigen Bestreitens des Beklagten insoweit nicht in erforderlichem Umfang dargelegt und unter Beweis gestellt, dass ihre Großmutter nicht - auch nicht wenigstens teilweise - leistungsfähig sei. Aus den von ihr zur Akte gereichten Einkommensnachweisen ergebe sich dies jedenfalls nicht. Aus dem Vortrag der Klägerin werde auch nicht ersichtlich, dass ihre Großmutter angesichts sonstiger Unterhaltszahlungen in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werde.

Ungeachtet der vorrangigen Einstandspflicht der Großmutter war nach Auffassung des OLG der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten jedenfalls verwirkt, da sich seine Inanspruchnahme vor dem Hintergrund des von der Klägerin vor und während des Verfahrens gezeigten Verhaltens als grob unbillig i.S.d. § 1611 Abs. 1 BGB darstelle.

Die Klägerin habe es mehrfach und nachhaltig an der gebotenen Rücksichtnahme gegenüber dem Beklagten fehlen lassen, insbesondere in gröblicher Weise gegen ihre Wahrheits- bzw. Offenbarungspflichten verstoßen und sich mutwillig über seine Vermögensinteressen hinweggesetzt. Die Klägerin hätte die Tatsache der Adoption durch ihre Großmutter im Hinblick auf mögliche unterhaltsrechtliche Auswirkungen spätestens bei der Einleitung des Verfahrens offenbaren müssen. Sie habe sowohl dies unterlassen, als auch das vorliegende Verfahren damit unter einem unrichtigen Namen betrieben. Auch die vom Beklagten in seinem Schriftsatz vom 16.6.2006 dahin geäußerte Mutmaßung habe sie nicht dazu veranlasst, ihn endlich über die Adoption zu informieren. Sie habe im Gegenteil durch Eintragung eines entsprechenden Sichtvermerks veranlasst, dass seine eigenen Nachforschungsbemühungen noch erschwert wurden.

Hinzu komme, dass die Klägerin, nachdem sie auf der Grundlage ihres nur unvollständigen Sachvortrages im einstweiligen Anordnungsverfahren einen Unterhaltstitel gegen den Beklagten erwirkt hatte, die von ihm geleisteten Unterhaltszahlungen zunächst negiert und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet habe. Die Erklärungen der Klägerin zu den von ihr vereinnahmten Zahlungen seien nicht nachvollziehbar und stellten sich als Schutzbehauptung dar.

Aus den genannten Gründen sei ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten v verwirkt.

 

Link zur Entscheidung

KG Berlin, Urteil vom 01.12.2006, 17 UF 117/06

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